HEYES Woche: Nicht alles ist käuflich
Mit Staunen schaue ich auf den Streit um eine bessere Ausstattung der Leistungen für Hartz-IV-Empfänger. Der geht auch darum, ob fünf Euro mehr im Monat ausreichen, um den Anforderungen des Verfassungsgerichts für eine menschenwürdige Lebensgestaltung zu entsprechen.
Stand:
Mit Staunen schaue ich auf den Streit um eine bessere Ausstattung der Leistungen für Hartz-IV-Empfänger. Der geht auch darum, ob fünf Euro mehr im Monat ausreichen, um den Anforderungen des Verfassungsgerichts für eine menschenwürdige Lebensgestaltung zu entsprechen. Zeitgleich hören wir erneut von astronomischen Bonuszahlungen für Manager. Es hat nichts mit Bildungsferne oder mit der gern zitierten „Neid-Debatte“ zu tun, wenn blanker Unverstand herrscht, angesichts der Nehmer-Qualitäten in den oberen Etagen der Banken und ihrer Vorstände. Es war nicht das Zentralorgan der DKP, sondern die Süddeutsche Zeitung, die mit Blick auf den Finanzplatz London und der Ankündigung, dass die Banken ihren Starmanagern für 2010 Prämien von fünf Milliarden Pfund zuschanzen wollen, schrieb: „Die Gier ist zurück“. Der Kommentar der Süddeutschen zitiert dabei Shakespeares „Sturm“: „Die Hölle ist leer und alle Teufel sind hier“. Treffpunkt der Teufel ist die Londoner City. Oder auch New York, wo Banken ihre Bonuszahlungen auf eine neue Rekordhöhe treiben. Und der Finanzplatz Frankfurt lässt nicht auf sich warten.
Was dabei den Atem nimmt, ist die Unfähigkeit eines wachsenden Teils der Wirtschaftselite, die Wirkung ihrer Maßlosigkeiten zu erkennen. Die Bundesregierung sieht sich außerstande, im Haushalt Transferleistungen für Arbeitslose angemessen zu verbessern, weil er unter der Last der Rettungsschirme wankt, die für die Banken und für den Euro aufgespannt werden mussten. Hunderte Milliarden Euro wurden in der Finanzkrise verbrannt und keiner der Pyromanen in den Banken steht bislang vor einem Richter. Anders die Kassiererin eines Supermarktes, die für 1,30 Euro einen Pfandzettel einlöste, der ihr nicht zustand. Angesichts solcher Erfahrungen wächst ein Zorn, der nicht nur in Stuttgart, sondern sich auch an anderen Orten „Wut-Bürger“ in Stellung bringt.
Lassen wir moralische Fragen mal beiseite. Den Wasser-Anrainern etwa am Griebnitzsee war es ja auch nicht möglich, das Interesse des Gemeinwohls und Eigeninteressen angemessen abzuwägen. Der Bund wird –wenn auch mit Verzögerung – nun wohl seine Wasser-Grundstücke, die für einen Zugang zum See Voraussetzung sind, an Potsdam verkaufen. Das Höchstgebot der Anrainer zieht dann also nicht. Für die Allgemeinheit, mit der die Villenbesitzer ihren Seeblick eigentlich nicht teilen mögen, ist das ein kleiner Triumph. Jede andere Entscheidung hätte mehr zerstört als den ehemaligen Kolonnenweg entlang des Sees.
Der Kampf um den freien Seezugang hat viele Facetten: Historische – hier verlief die Mauer, die den Zugang zum See versperrte; und die ganz diesseitige, dass nicht alles käuflich ist. Mithin geht es auch darum, wie wir leben wollen, nicht wie wir leben sollen. Auch dieser Streit und sein denkbares Ende gibt darauf eine Antwort.
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.
Uwe-Karsten Heye
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: