Aus dem GERICHTSSAAL: Nicht alltägliche Beleidigung
Obszöner Brief an die Nachbarin kostet 900 Euro
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„Im ersten Moment musste ich schmunzeln. Aber dann habe ich überlegt: Wie kann mir eine Person, die ich nur vom Sehen kenne, so etwas unterbreiten?“, berichtet Daniela D.* (27) vor Gericht. Die Beamtin der Bundespolizei fand am 1. Januar eine Botschaft folgenden Wortlauts in ihrem Briefkasten: „Hallo, hast du Lust, eine lockere Beziehung mit mir einzugehen? Ich bin 38 Jahre alt und nicht hässlich. Ich erfülle dir deine geheimsten sexuellen Wünsche. Verkaufst du getragene Unterwäsche? Ich zahle 50 Euro pro Stück.“ Als Absender des Schreibens entpuppte sich der Nachbar der jungen Frau. Jetzt wurde Bernhard B.* vom Amtsgericht wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Der arbeitslose Maurer zählt in Wirklichkeit bereits 43 Lenze. „Na und, da habe ich mich eben ein bisschen jünger gemacht“, meint er lakonisch. Freiweg gesteht er, den Brief „aus Laune und Spaß heraus“ verfasst zu haben. „Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass sich meine Nachbarin dadurch herabgewürdigt fühlt. Ich habe ihr später eine kleine Aufmerksamkeit an die Türklinke gehängt und mich entschuldigt“, erzählt Bernhard B. „Sie hat die Entschuldigung angenommen.“
„War das, bevor die Geschädigte Anzeige bei der Polizei erstattet hat, oder danach?“, fragt Amtsrichter Wolfgang Peters. Das weiß der Angeklagte nicht mehr so genau. „Am 4. Juni habe ich einen Strafantrag bei der Polizei gestellt. Im Juli oder August fand ich dann eine Tüte mit Süßigkeiten und einer kleinen Flasche Sekt an meiner Wohnungstür“, erinnert sich Daniela D. „Eine Entschuldigung war auch dabei. In dieser schrieb er erneut, dass er sich freuen würde, wenn ich mich trotzdem bei ihm melden würde. Ich schrieb ihm zurück, er möge mich in Ruhe lassen“, so die Beamtin. „Es war ein komisches Gefühl. Unsere Balkone grenzten aneinander. Wenn er wollte, konnte er direkt in mein Wohnzimmer schauen.“ Inzwischen lebe sie woanders. Doch diese Begegnung habe deutliche Spuren hinterlassen, beteuert Daniela D.
Der Mann auf der Anklagebank kann nicht so recht nachvollziehen, dass er sich strafbar gemacht hat. Auch in der Vergangenheit nahm es Bernhard B. mit Recht und Gesetz nicht sehr genau. Sein „Sündenregister“ weist u. a. Alkohol am Steuer, versuchten und vollendeten Diebstahl im besonders schweren Fall sowie Hausfriedensbruch aus. In Haft saß er auch bereits. „Sie haben sich bei Ihrem Opfer entschuldigt. Im selben Moment fordern Sie es auf, sich erneut bei Ihnen zu melden. Ihre Reue ist nicht glaubwürdig“, stellt die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft klar. Richter Peters spricht von einer „nicht alltäglichen Beleidigung einer jungen Frau“, die noch heute Auswirkungen auf deren Psyche habe. (*Namen geändert.) Hoga
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