Landeshauptstadt: Nicht kommentarlos gedenken
Alte Tafeln von gefallenen Babelsbergern in Friedrichskirche angebracht
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Alte Tafeln von gefallenen Babelsbergern in Friedrichskirche angebracht Babelsberg - Es ist wiederentdeckte Geschichte, was der Babelsberger Gemeindekirchenrat vor gut einem Jahr im Turm der Friedrichskirche fand: Vier Tafeln, drei aus Holz, eine steinerne, auf denen der Babelsberger Gefallenen des Befreiungskrieges 1813 bis 1815, des Deutsch-Französischen Krieges zwischen 1870 und 1871 sowie des I. Weltkrieges gedacht wurde. Das Entstehungsdatum ist unbekannt, als gesichert gilt nur der Zeitpunkt des „Umzugs“ ins Turm-Exil: Nach dem II. Weltkrieg wurden die Tafeln, die links und rechts der Kanzel hingen, entfernt. Seitdem verstaubten die Tafeln nahe der Glocken, die steinerne Platte zerbrach durch das grobe Schuhwerk der Dachdecker, die über sie liefen als das Kirchendach saniert wurde. Wie nun damit umgehen in Zeiten, in denen Opfer und Täter verglichen werden, die Gefahr des Revanchismus nahe liegt? Dass die Tafeln schließlich doch wieder im Gotteshaus am Weberplatz aufgehängt wurden, ist eine durchaus heikle Angelegenheit. Der Gemeindekirchenrat – der die Tafeln bei einer Turmbesteigung erst entdeckte – beratschlagte, wie man mit dem Geschichtserbe umgehen könnte. „Am alten Ort im Altarinnenraum wollten wir sie aus mehreren Gründen nicht mehr anbringen“, erklärte Gemeindekirchenratsvorsitzender Jürgen Fritsche. So sollte der renovierte Kircheninnenraum weiter schlicht bleiben. „Außerdem“, ergänzte Pfarrerin Dörte Wernick, „wollten wir die Tafeln nicht kommentarlos zeigen“. So entstand das Konfirmanden-Projekt, in dem sich elf Jugendliche mit den Geschichten hinter den Namen beschäftigten. Entstanden ist die Wiedergabe einer Lebensgeschichte, die künftig neben die Tafel der Gefallenen des Befreiungskrieges gehängt wird. Dargestellt wird das Leben von Johann Christian Maxa, einem Webermeister, der 23-jährig bei der Schlacht von Großbeeren 1815 durch einen Schuss ins rechte Knie verletzt und daran am 15. September 1815 verstarb. Er wurde auf dem Wichgraffriedhof begraben. Seine Frau und die gemeinsamen Kinder starben an Jammer, Erschöpfung, Hunger oder Pocken – typische Todesursachen im Nowawes des 19. Jahrhunderts. „Diese Familie zeigt ein gewöhnliches Schicksal zu dieser Zeit“, so Wernick. Es sei nicht darum gegangen, die Kriegsopfer zu verherrlichen, sondern den Konfirmanden, aber auch den Besuchern der Kirche zu zeigen, dass hinter einem Gefallenen viele Mitbetroffene waren „als Opfer wie als Täter“, fügte Wernick hinzu. Schließlich zeige genau dieses Schicksal, dass Krieg schlimme Auswirkungen habe auf die Menschen und es deshalb wichtig sei, vorher zu handeln. Während des Projektes, das zur Überraschung der Konfirmanden die Prüfung darstellte, beschäftigten sich die Jugendlichen auch mit der Problematik des Krieges und biblischen Themen wie Gewaltlosigkeit. Mit diesem Hintergrund sind nun die Holztafeln in den Treppenaufgängen angebracht, zusätzlich wird die Arbeit der Konfirmanden – thematisch passend in einem Webrahmen – als Kommentar gehängt. Einzig die Steinplatte zum Gedenken der Toten aus dem Deutsch-Französischen Krieg ist noch nicht restauriert. Für die in mehrere Teile zerbrochene Tafel suche man derzeit nach einer Möglichkeit, die Steinplatte auf eine Trägerplatte zu montieren und dann ebenfalls anzubringen, so Fritsche. KG
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