Rundgang durch das neue "Archiv": „Nicht mal das Rathaus ist so sicher“
Monatelang war es geschlossen - jetzt ist das Kulturzentrum Archiv wieder offen. Doch es gibt noch viel zu tun. Ein Rundgang.
Stand:
Von außen ist kaum eine Veränderung zu sehen – der Putz bröckelt weiterhin, auch die bunten Graffiti gibt es noch. All jene Nutzer, die im Vorfeld der Brandschutzsanierung des Kulturzentrums „Archiv“ in der Leipziger Straße eine gesichtslose Totsanierung befürchtet haben, können aufatmen: Den Charme des Morbiden hat das Haus behalten. „Das soll auch ein bisschen oll bleiben“, sagt Kay-Uwe Kärsten, Sprecher des Trägervereins Archiv e.V. Kein neuer Putz komme auf die Fassade, die soll nur versiegelt werden – und zwar möglichst schonend für die Graffiti. Denn ein Archiv ohne Graffiti an der Wand? Für die meist linksalternativen Nutzer der Einrichtung ist das nicht vorstellbar.
Vor mehr als einem Jahr hatte die Bauaufsicht der Stadt das Haus wie berichtet wegen massiver Brandschutzmängel geschlossen. Ein zähes Ringen begann, die Stadt machte schließlich 625 000 Euro locker, parallel sammelte der Archiv-Verein Spenden. Nach unzähligen Baumaßnahmen in Eigenleistung durfte das Haus – wenn auch unter Auflagen – jetzt wieder öffnen.
Der Haupteingang befindet sich nun an der linken Hofseite, inklusive einer Rampe. „Barrierefrei sind wir nicht, aber barrierearm“, erklärt Kärsten. „Aber wir haben einen Behindertenparkplatz.“ Die Eingangstür ist gleichzeitig Schallschutzschleuse – zwei massive Türen verhindern, dass zu viel nach außen dringt. Direkt nach der Schleuse steht man an der Bar, ein geschwungener, lang gezogener Holztresen: Ein Tischler, ein Holzmultitalent, wie Kärsten ihn nennt, hat den Tresen designt.
Der Innenraum wirkt deutlich heller als vorher: Wo vorher Mauern waren, sind jetzt zwei große Brand- und Lärmschutzfenster mit Blick aufs Wasser. „Das war ein ganz schöner Akt, die Fenster in Eigenleistung zu konstruieren“, die auch verschlossen weden können. Dazu die neue Lüftungsanlage, die die Luft konstant auf 24 Grad erwärmt und deren Steuerung in einem Extraraum eingebaut ist: Systemair steht da drauf, eine gewaltige Anlage, „unser Raumschiff“. Die habe natürlich einen immensen Stromverbrauch. „Langfristig würden wir gern autark Strom erzeugen, mit Solarpanels auf dem Dach“, sagt Kärsten. Aber ob das mit dem Denkmalschutz vereinbar ist, muss noch geklärt werden. „Das Erdgeschoss ist so brandsicher, wie es die Brandenburgische Versammlungsstättenverordnung vorschreibt – und die ist drakonisch“, so Kärsten. „Nicht einmal das Rathaus ist so brandsicher.“ Mittlerweile gibt es aus jedem Raum, in dem man sich befindet, zwei Fluchtwege, die außerdem beleuchtet sind.
Der Brandschutz brachte allerdings auch einige Absurditäten: Im Inneren befindet sich eine runde Säule, die mit Brandschutzlack lackiert werden musste. Allerdings wurde dafür Schutzlack für eckige Säulen verwendet – was nicht den Verordnungen entspricht, weshalb umlackiert werden musste: mit Schutzlack für runde Säulen.
Der Wohnbereich wurde durch eine tonnenschwere Wand komplett vom Veranstaltungsbereich getrennt, ein Kraftakt. Aber das Archiv-Café sieht immer noch genauso aus, mit einer Sitzecke in der Karosse einer amerikanischen Limousine, sogar der kleine Holzofen steht noch da. „Den haben wir durchgesetzt, der gehört einfach dazu“, sagt Kärsten.
„Die Stadt kann mit ihrem System nicht die Kultur schaffen, die wir schaffen wollen“, erklärt Kärsten. „Aber viele in der Verwaltung haben ein Verständnis entwickelt, wie wichtig das ist, was wir hier machen, und unterstützen uns.“ Ursprünglich war der Kommunale Immobilienservice als Bauherr im Gespräch, der Archiv e.V. habe sich aber durchgesetzt – was der Ursprünglichkeit zugute kam.
Sukzessive soll jetzt weitergearbeitet werden, zunächst ist das Dachgeschoss dran. Der Keller, in dem sich auch die Bandproberäume befinden, bleibt jedoch weiterhin gesperrt. „Das ist schmerzlich, und das haben wir uns nicht leicht gemacht. Aber das ist momentan finanziell nicht machbar.“ Das könne auch noch Jahre dauern. Aber durch das Erbbaurecht habe man nun eine langfristige Perspektive – es läuft über 66 Jahre.
„Der krasse Zeitdruck der letzten 14 Monate ist vorbei“, sagt Kärsten erleichtert. Besonders die letzten zwei Monate seien extrem hart gewesen. Doch jetzt überwiegt der Stolz: „Man sieht jetzt einfach jeden Tag, wofür man das alles gemacht hat. Und das ist total wertvoll.“
Oliver Dietrich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: