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Landeshauptstadt: „Nicht mehr als 250 Gramm Pilze essen“

Wolfgang Bivour über Pilzberatung und neue Erkenntnisse über den wohlschmecken Grünling, der giftig ist

Stand:

Herr Bivour, das Angebot der Pilzberatung auf dem Bassinplatz hat eine lange Tradition, schon zu DDR-Zeiten gab es den Stand auf dem Wochenmarkt. Was hat sich im Vergleich zu heute geändert?

Damals war die Pilzberatung dem Gesundheitsministerium unterstellt, das heißt staatlich organisiert und die Pilzberater mussten eine staatlich anerkannte Prüfung ablegen. Heutzutage ist das nicht mehr so. Eine gesetzliche Regelung gibt es nicht. Die Pilzberatung basiert auf unserer Eigeninitiative. Die Pilzberater unseres Vereins haben die Prüfung bereits zu DDR-Zeiten abgelegt oder sie wurden durch unseren Verein geprüft. Ständige Weiterbildung wird gefordert. Die Pilzberatung auf dem Wochenmarkt erfolgt im Auftrag der Stadt. Die Berater erhalten dafür eine Aufwandsentschädigung.

Wie wird der Beratungsstand von den Potsdamern genutzt?

Der Stand wird sehr gut angenommen und ist oft dicht umlagert. Es sind auch immer die gerade wachsenden gängigen Pilzarten ausgestellt, die vorher frisch gesammelt wurden. Da kann man die Pilze ansehen und sich ihre Bestimmungsmerkmale erklären lassen.

Was sind die häufigsten Fragen der Besucher?

Meistens sind es Fragen zum Speisewert der Pilze und zur Unterscheidung giftiger Doppelgänger. Viele fragen auch nach den besten Pilzrevieren. Die verrät natürlich niemand gern. Die muss auch jeder für sich selbst herausfinden. Es werden aber auch sehr spezielle Fragen gestellt.

Welche zum Beispiel?

Immer wieder dreht es sich um den Kahlen Krempling, der früher viel gegessen wurde, der aber gefährliche allergische Reaktionen hervorrufen kann. Oder die Frage nach dem wohlschmeckenden Grünling – eigentlich streng geschützt – , der nach neueren Erkenntnissen schwere Muskelerkrankungen verursachen kann. Viele Sammler halten den sehr schmackhaften Flockenstieligen Hexen-Röhrling für den giftigen Satanspilz. Da braucht es oft längere Überzeugungsarbeit; der Satanspilz ist bei uns eine ausgesprochene Rarität.

Wie viele Pilzarten gibt es in Brandenburg und wie viele sind davon essbar?

In Berlin-Brandenburg sind etwas über 4000 Pilzarten erfasst, von denen vielleicht 200 bis 250 als Speisepilze in Frage kommen. Die anderen sind ungenießbar, zu hart oder holzig, zu winzig oder eben auch giftig.

Was sollte beim Sammeln beachtet werden und dürfen alle Pilze gesammelt werden?

Die Pilze sollten jung sein, dass heißt sie dürfen nicht matschig, schwammig oder angeschimmelt sein. Von Maden befallene Pilze sollten ebenfalls gleich im Wald verbleiben. Man sollte ältere Exemplare auch mal stehen lassen, damit sie ihre Sporen zur Vermehrung ausstreuen können. Einige Pilzarten sind nach der Bundesartenschutzverordung geschützt. Dazu zählen Steinpilze, Pfifferlinge, Birkenpilze, Morcheln und Rotkappen. Diese dürfen nur für den Eigenverzehr, das ist etwa ein Kilogramm pro Tag, gesammelt werden. Der Handel mit diesen Pilzen ist nicht erlaubt. Der Grünling, der ja neuerdings als Giftpilz gilt, ist sogar total geschützt.

Ist es besser den Pilz abzuschneiden oder herauszudrehen?

Dem Pilz ist das, salopp gesagt, egal. Dazu gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Wenn der Pilz allerdings unbekannt ist und man ihn bestimmen lassen möchte, dann sollte er vorsichtig herausgedreht werden. Die Stielbasis enthält oft wichtige Bestimmungsmerkmale.

Gibt es einen Richtwert für den Verzehr von Pilzen?

Es wird empfohlen, nicht mehr als etwa 250 Gramm pro Woche zu essen, da manche Pilze Schwermetalle speichern. Auch die, wenn auch meist nur geringe, radioaktive Belastung spielt da noch eine Rolle. Ansonsten aber sind Speisepilze sehr gesund, vitaminreich und kalorienarm.

Wie kann man Pilze am besten konservieren?

Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die Pilze können getrocknet werden und sind, anschließend im Schraubglas gut verschlossen, mehrere Jahre haltbar. Sie können aber auch blanchiert und eingefroren werden, dann sollten sie nach etwa sechs Monate verbraucht werden. Es eignet sich aber auch nicht jeder Pilz gleichermaßen zur Konservierung. Pfifferlinge beispielsweise sollten besser frisch verzehrt werden.

Der Landesverband der Pilzsachverständigen bietet Pilzlehrwanderungen an. Was möchten Sie den dabei vermitteln?

Neben den kulinarischen Aspekten geht es auch darum, die Formenvielfalt und die Schönheit der Pilze den Menschen näher zu bringen und zu zeigen, dass die Pilze eine außerordentlich wichtige Funktion im Haushalt der Natur haben. Natürlich wollen wir die Pilzkenntnisse in der Bevölkerung vertiefen und helfen, Pilzvergiftungen zu verhindern.

Woran ist eine Pilzvergiftung erkennbar?

Die Symptome sind, je nach Giftpilz, unterschiedlich. Häufig sind Erbrechen und Durchfall, aber auch Koordinationsstörungen, Halluzinationen oder Schweißausbrüche können auftreten. Treten die Symptome erst mehrere Stunden nach der Pilzmahlzeit auf, ist die Vergiftung besonders ernst zu nehmen. Das Gift des Grünen Knollenblätterpilzes schädigt die Leber, das des Orangefuchsigen Hautkopfes die Nieren. Pantherpilze wirken aufs Nervensystem und Karbol-Egerlingerufen Magen- und Darmbeschwerden hervor.

Was sollte bei einer Pilzvergiftung getan werden?

Bei Verdacht auf Pilzvergiftung sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht oder die medizinische Hilfe gerufen werden. Wenn der Magen nicht bereits rebelliert hat, möglichst selbst Erbrechen hervorrufen. Pilzreste sicherstellen. Sie können die Suche nach der verursachenden Pilzart erleichtern. Bei Pilzvergiftungen werden von den Krankenhäusern meist unsere Pilzsachverständigen zur Ursachenermittlung herangezogen.

Die Fragen stellte Friederike Sophie Foitzik

Der Beratungsstand auf dem Potsdamer Wochenmarkt ist bis Ende Oktober sonnabends, montags und mittwochs jeweils von 9 bis 12 Uhr geöffnet.

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