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Landeshauptstadt: Nicht mehr „unnütz“ fühlen

Die Zahl der Jobs steigt, es gibt immer weniger Arbeitslose: Zwei Potsdamer hinter der Statistik

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Heiko Gast ist einer von denen, die es geschafft haben. Immer noch klingt der Potsdamer ein wenig verwundert, wenn er davon erzählt, wie er an seinen Job bei einer Teltower Elektrofirma gekommen ist: „Ich dachte, sowas gibt es nicht mehr.“ Ein Anruf und ein kurzes Vorstellungsgespräch hätten genügt. Sein neuer Arbeitgeber Electrocom brauchte ihn, weil er noch mit den alten Stromnetzen aus DDR-Zeiten umgehen kann.

Vorher war der 45-Jährige sechs Jahre arbeitslos gewesen. Umschulungen, Ein- Euro-Job, Langeweile: „Man fühlt sich unnütz.“ Dann kam Hartz IV. Alles wurde noch schlimmer, sagt Heiko Gast: Weil ihm der Kredit auf seine Eigentumswohnung im Nacken saß, er aber nicht den vollen Hilfesatz bekam. „Ich musste ja schließlich keine Miete zahlen“, ärgert er sich noch heute. Dazu kam die stete Ungewissheit: Zehn Bewerbungen pro Monat habe er oft geschrieben. Die meisten kamen nicht zurück, erzählt er: „Das geht ans Selbstwertgefühl.“ Doch dann kam der Anruf aus dem Arbeitsamt.

Es sind solche Fälle, die die Potsdamer Arbeitsagentur gern präsentiert – und es werden offenbar mehr. Monatlich stellt Behördenchefin Edelgard Woythe die Arbeitslosenzahlen für Potsdam und Umgebung vor. Die Sätze ähnelten sich in den vergangenen Monaten: „Wir hatten noch nie so wenige Arbeitslose in Potsdam.“ Gab es vor drei Jahren noch bis zu 11 500 arbeitslose Potsdamer, meldete die Agentur gestern 6257. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,8 Prozent. Zwischen 2006 und 2007 stieg im Stadtgebiet die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um 3500 auf mehr als 72 000. „Ich kenne noch viele Ansiedlungsvorhaben für Potsdam“, sagt Woythe und prognostiziert, dass der positive Trend weiter anhält.

Thomas K. hat von dem Aufschwung bisher allerdings noch nichts gemerkt. „Ich bin schon das vierte Jahr arbeitslos“, erzählt der Potsdamer, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Momentan arbeitet er als Ein-Euro-Jobber im „Fliedergarten“ des Hartz-IV-Betroffenen-Vereins am Pfingstberg. „Es ist wenigstens eine Befriedigung, dass man wieder was zu tun hat und andere Leute kennenlernt“, sagt er über die Arbeit im Garten. Zusammen mit zwei weiteren Ein-Euro-Jobbern soll er das verwilderte Grundstück entrümpeln, den Rasen und die Bäume in Ordnung bringen.

Eigentlich ist Thomas K. gelernter Schlosser. Vor genau 30 Jahren beendete er seine Lehre und arbeitete bis 1990 in dem Beruf. Es folgte eine Phase der Umorientierung: Erst bei einem Abschleppdienst, dann sechs Jahre lang im Lager einer Drogerie-Kette. Als die Firma aus Potsdam wegzog, kam das vorläufige berufliche Aus für Thomas K. Seitdem sucht der Potsdamer einen Job. Vom Arbeitsamt fühlt er sich nicht unterstützt: Das sei „nur eine Verwaltung“, sagt Thomas K.: „Von denen kommt nichts.“ Auch die drei Ein-Euro-Jobs, die er in den vergangenen Jahren angenommen hat, habe er sich selbst gesucht. „Die erzählen immer, es gibt tausend Stellen“, sagt der Potsdamer. Nach seinen Recherchen bei Internet-Stellenbörsen sieht die Sache aber anders aus: „Das sind immer dieselben Jobs!“ Zudem sei er älter als 45. „Da wird es schwieriger.“ Rund 200 Bewerbungen habe er inzwischen schon geschrieben, sagt er: „Ich würde alle möglichen Sachen machen.“

An die Umstellung auf Hartz-IV kann er sich noch gut erinnern: „Auf einmal wurde es eng“, erzählt der Vater einer 18-jährigen Tochter. Weil er vorher „gut“ verdiente, sei das Arbeitslosengeld zunächst noch „recht gut“ gewesen. Dann kam Hartz IV. „Gottseidank habe ich keine Kredite“, sagt Thomas K. Wegen der Hartz-Reform findet er es „verständlich“, wenn Arbeitslose schwarz arbeiten, um sich über Wasser zu halten. Den Glauben an sich hat er noch nicht verloren: „Es ist schwierig, aber ich gebe nicht auf.“

Hoffnung will ihm auch die Arbeitsagentur machen. Exemplarisch stellte Behördenchefin Woythe gestern mit Porta den nächsten großen Arbeitgeber der Stadt vor: 250 Mitarbeiter sollen ab Ende August bei dem Möbelmarkt angestellt sein. Der Ansturm war groß: 2300 Bewerbungen gingen bei der Agentur ein, in 600 Vorstellungsgesprächen wurden schließlich Favoriten gekürt.

Angst um ihren eigenen Arbeitsplatz hat Edelgard Woythe trotz der vielen guten Nachrichten nicht: „Wir haben ja immer noch Leute, die arbeitslos werden – im Gegensatz zu früheren Zeiten können wir sie nur schneller wieder in Jobs vermitteln.“

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