Sport: Nicht nur Proteste und Mahnwachen
Lutz Henrich, Vorsitzender des Stadtsportbundes Potsdam: Auch 2005 wird es sportpolitische Kämpfe geben
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Lutz Henrich, Vorsitzender des Stadtsportbundes Potsdam: Auch 2005 wird es sportpolitische Kämpfe geben Herr Henrich, vor einem Jahr kündigten Sie im PNN-Interview an, 2004 werde ein Jahr harter sportpolitischer Kämpfe in Potsdam werden. War dem auch so? Das kann man wirklich so sagen. Es war für uns ein schwieriges, letztendlich aber auch erfolgreiches Jahr, weil es uns gelungen ist, für die Sportvereine die weitestgehend entgeltfreie Nutzung der Sportstätten zu gewährleisten. Was aber nicht im Selbstlauf geschah, sondern nur, weil wir harte sportpolitische Aktivitäten in der Stadt initiiert haben, wobei uns die Sportvereine unterstützten. So ist es uns gelungen, die Stadtverordneten davon zu überzeugen, die entgeltfreie Nutzung auch 2004 aufrecht zu erhalten. Nun plant die Stadtverwaltung für 2005 erneut 269 000 Euro Mehreinnahmen von den Sportvereinen. Das stimmt. Nach Pressemitteilungen hat SPD-Klausurtagung vor wenigen Tagen zwar kritisiert, dass es kein Konzept der Stadtverwaltung gibt, wie man diese 269 000 Euro einnehmen will, und die PDS sprach sich für die weitere entgeltfreie Nutzung aus. Damit ist die Festschreibung der Mehreinnahmen im städtischen Haushalt 2005 aber noch nicht vom Tisch. In diesem Jahr haben sich zahlreiche Vereine zu Eigenleistungen an den Sportstätten, die durch sie genutzt werden, bereiterklärt. Warum? Wir haben frühzeitig erkannt, dass wir 2005 die Stadtverordneten nicht so wie in diesem Jahr nur durch Mahnwachen und Proteste dazu bewegen können, die entgeltfreie Nutzung der Sportstätten weiter zu gewährleisten. Deshalb haben wir die Stadt gebeten aufzulisten, in welchen Sportobjekten Sportvereine durch Eigenleistungen zur Werterhaltung und Wertschaffung beitragen können. Wir wollen damit deutliche Zeichen setzen, dass die Sportvereine selbst daran interessiert sind, Verantwortung für die von ihnen genutzten Sportanlagen zu übernehmen. Wir haben bereits mit über 50 Vereinen Gespräche geführt, die städtischen Vorgaben für haushaltsrelevante Positionen für jede Sporthalle haben wir seit Oktober auf den Tisch. Als erster Verein haben kürzlich die Tischtennisspieler des TTV Preußen Potsdam ihre Halle in Eiche frisch gemalert. Weitere Aktivitäten sind für Anfang 2005 geplant. Wobei wir weniger davon überrascht waren, dass die Sportvereine hier mitziehen, als vielmehr davon, mit welchen Ideen sie die Pläne der Stadt noch bereichern wollen; beispielsweise mit Frühjahrsputz und mit dem Renovierung von Räumen, die von der Stadtverwaltung gar nicht vorgesehen waren. Andererseits können die Sportvereine aber nicht alles leisten, was die Stadt in ihren Vorgaben aufgelistet hat. Wir sollen beispielsweise in der Sporthalle Heinrich-Mann-Allee die Scheiben putzen, was nur eine professionelle Firma mit Gerüsten leisten kann. Sportvereine können auch nicht Graffiti beseitigen, weil ihnen die entsprechenden Geräte dafür fehlen. Einfache Renovierungen aber und ähnliche Arbeiten sind durchaus möglich. Ist das ein Modell, mit dem auch die neuerlichen Forderungen der Stadt ausgleichen könnte? Ausgeglichen werden können die dadurch nicht. Nach den bisherigen Zusagen kommen wir auf einen Wert der geplanten Arbeiten von etwa 35 000 Euro. Wobei wir noch nicht einmal mit der Hälfte der Vereine entsprechende Gespräche geführt haben. Der ideelle Wert der Zusagen ist allerdings hundertmal höher, weil sich die Vereine selbst für ihre Sportstätten verantwortlich fühlen und so viel bewusster auf alles achten. Wenn durch Eigenleistungen 35 000 bis 40 000 Euro zusammenkommen – was macht man mit der restlichen Spanne? Wir müssen ganz deutlich machen, welchen Stellenwert der Vereinssport vor allem für die Kinder- und Jugendarbeit in dieser Stadt und für die Gesunderhaltung der Potsdamer hat. Dass wir es uns nicht leisten können, dass Vereine kaputt gehen, weil sie künftig hohe Gebühren zahlen sollen. Wir können nur an die Stadtverordneten appellieren, das eine so hohe Forderung sportpolitisch unsinnig ist und durch die Sportvereine nicht zu verwirklichen ist. In welchen Zustand präsentieren sich die Sportstätten der Stadt denn gegenwärtig? Das Bild ist sehr differenziert, aber der Zustand der Sportstätten ist insgesamt immer noch unbefriedigend. Das jüngste, für uns völlig unbegreifliche Beispiel: In der Halle im Wohngebiet Schlaatz, in der die WSG Schlaatz trainiert, hängt seit drei Monaten ein Schild mit dem Hinweis: Wegen Legionellengefahr ist das Duschen nicht gestattet. Die Sportler werden aber nicht darüber informiert, wie diese Legionellengefahr beseitigt wird und wann man eventuell wieder duschen kann. Auch andere Vereine klagen darüber, dass städtische Maßnahmen in den Hallen nicht mit den Sportvereinen abgesprochen werden. In Eiche beispielsweise wurden in einigen Umkleideräumen teure Haken angebracht, in anderen überhaupt keine. Wir sind der Ansicht, dass bei Veränderungen in den Sporthallen die Vereine viel mehr mit einbezogen werden müssten, um inhaltlich beratend wirken zu können. Insgesamt gesehen sind wir unzufrieden mit dem Zustand der Turnhallen, weil zu wenig für deren Werterhaltung getan wird. Das geht nur durch den Kompromiss, dass die Vereine Eigenleistungen erbringen und die Stadt besser plant und mehr Mittel zur Verfügung stellt. Für dieses Jahr war die Bildung einer Sportstättenkommission vorgesehen. Arbeitet diese inzwischen? Wir haben diese Kommission unter Vorsitz des Stadtsportbundes gegründet und Vertreter von Vereinen und der Stadt für eine Mitarbeit gewonnen. Zunächst ging es darum, die Aufgaben festzulegen. Hauptaufgabe wird die Kontrolle der Auslastung der Potsdamer Sportstätten sein. Es gibt überhaupt keine freien Hallenkapazitäten in der Stadt, aber immer wieder Hinweise mangelhafter Auslastung. Das können wir uns nicht leisten, wir müssen die Hallen so effektiv wie möglich nutzen. Gerade auch unter dem Blickwinkel, noch mehr Potsdamer Kinder und Jugendliche für den Sport zu gewinnen. Für 2005 sind die Hallenzeiten doch bereits vergeben. Es ist aber jederzeit möglich, das zu ändern. Die Sportstättenkommission achtet auch auf Sauberkeit, sparsamen Umgang mit den Ressourcen, und bei Verstößen kann auch innerhalb eines Jahres eingegriffen werden, können Hallenzeiten verändert oder ganz neu vergeben werden. Welche Einflussnahme auf städtische Planungen hat der Stadtsportbund außerdem derzeit? Wir sind sowohl im Sportausschuss als auch im Jugendhilfeausschuss vertreten. Im Sportausschuss durch unser Vorstandsmitglied Peter Rieger und unsere Geschäftsführerin Anne Pichler, im Jugendhilfeausschuss durch mich, in diesem Jahr übrigens erstmals als stimmberechtigtes Mitglied. Wir haben immer gesagt, dass man in einer so großen Stadt wie Potsdam die Sportpolitik nicht getrennt von der restlichen Kinder- und Jugendpolitik betreiben darf. Man muss immer im Auge haben, welchen Beitrag der Sport auch in den anderen gesellschaftlichen Bereiche leistet. Wir sind deshalb 2005 ebenso wie erstmals in diesem Jahr im Jugendförderplan mit konkreten Aufgabenstellungen für den Sport vertreten. Wie sieht die rein statistische Bilanz des Stadtsportbundes in diesem Jahr aus? Durch die Eingemeindung umliegender Orte haben wir jetzt insgesamt 19 230 Mitglieder, davon 6497 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Die treiben in 131 Vereinen, davon zwölf aus den neuen Stadtgebieten, Sport. Jetzt wollen wir erreichen, dass die Stadt endlich 20 000 Vereinssportler zählt. In diesem Jahr gab es zahlreiche nationale und internationale Erfolge Potsdamer Sportler – hatte das auch Auswirkungen auf den Potsdamer Vereinssport? In Potsdam ist wieder zu merken, dass so großartige Sportlerinnen und Sportler wie Kathrin Boron und Katrin Wagner, Yvonne Bönisch, Melanie Seeger und Tim Wieskötter dank ihrer Vorbildfunktion Kinder und Jugendliche auch wieder auf die Rolle des Sports für ihr eigenes Leben aufmerksam machen. Wir merken, dass die Motivation der Mädchen und Jungen, kontinuierlich Sport zu treiben, wieder größer geworden ist. Auch die hervorragende Rolle Turbine Potsdams als DFB-Pokalsieger und Deutscher Meister ist deutlich zu spüren. Nicht nur durch die vielen Zuschauer, die ins Stadion kommen, sondern auch durch die Diskussion, dass sich dieses Sportfördersystem im Frauenfußball von der Talentewerbung über die Sportschule bis zum Leistungssport im Verein selbst bewährt hat und ein Weg ist, den andere Vereine auf ähnliche Art einschlagen können. Der Stadtsportbund war in diesem Jahr Veranstalter des ersten Potsdamer Schlössermarathons. Sind Sie mit halbjährigem Abstand zufrieden mit dieser Premiere und gibt es eine Neuauflage? Wir werden am 12. Juni 2005 den zweiten Schlössermarathon durchführen. Mit der Premiere waren wir sehr zufrieden, mit 1257 Teilnehmern war das Interesse sehr groß. Wobei man sagen muss, dass wir danach weit über hundert Hinweise der Läufer erhielten, die in netter, konstruktiver Art Verbesserungsvorschläge unterbreiteten. Dafür sind wir dankbar, denn uns war klar, dass bei der Premiere noch nicht alles Bestens sein konnte. Auf welche sportlichen Höhepunkte in ihrer Stadt können sich die Potsdamer denn im kommenden Jahr außerdem freuen? Von dem Stadtsportball am 15. Januar über das Indoor-Stabhochsprung-Meeting im Februar, die Leichtathletik-Gala Ende Mai, die Preußische Meile, das Babelsberger Radkriterium und die Deutschen Triathlon-Meisterschaften im Juni bis zu den traditionellen Wasserspielen Ende August und dem Sanssouci-Pokalturnier im Oktober gibt es eine vielfältige Veranstaltungspalette. Wir als Stadtsportbund beteiligen uns außer am Schlössermarathon vor allem noch am Festival des Sports, das innerhalb des Internationalen Deutschen Turnfestes in Berlin am Pfingstmontag auf dem Potsdamer Lustgarten stattfindet. Gibt es bereits Hinweise, ob der Stadt- sportbund 2005 mit ähnlichen, mehr oder weniger Zuschüssen durch Stadt und Land zu rechnen hat wie im jetzt ablaufenden Jahr? Generell gehen wir davon aus, dass die Fördersumme von der Stadt gehalten wird. Aber wir kennen bisher keinerlei konkrete Summen, mit denen wir bereits für das nächste Jahr planen könnten. Wir wissen bisher nur, dass die Stadtverwaltung von uns diese 269 000 Euro haben will, wofür es noch kein Konzept gibt und womit wir absolut nicht einverstanden wird. Also könnte es auch 2005 sportpolitische Kämpfe geben? Die wird es auf jeden Fall geben. Das Interview führte Michael Meyer
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