Landeshauptstadt: Nicht Öl mit Butter mischen
Hala Kindelberger vom Ausländerbeirat fordert höheren Anteil von Migranten in der Verwaltung
Stand:
Potsdam startet in diesem Jahr zusammen mit dem Verein proWissen ein Projekt für eine offene und tolerante Stadt. Was halten Sie davon?
Der Ausländerbeirat hält das für ein wichtiges Projekt der Zusammenarbeit. Es ist eine große Chance. Natürlich haben die Kommune und die Ausländervertretung schon immer zusammengearbeitet. Aber zum ersten Mal besteht die Möglichkeit, ohne akute Probleme, also ohne speziellen Anlass, über Fragen der Toleranz locker zu diskutieren. Jeder kann seine Meinung in einer unbelasteten Atmosphäre, also ohne dass irgendwas passiert ist und gleich verändert werden muss, äußern.
Aber so ganz ohne Grund geschieht das nicht. Es gab schließlich ausländerfeindliche Übergriffe, die über Potsdam hinaus Empörung auslösten.
Fast jede Kommune in Deutschland kennt ähnliche Erscheinungen. Potsdam macht da keine Ausnahme. Die Chance jetzt besteht darin, dass unabhängig davon in einer entspannten Atmosphäre über das zukünftige Zusammenleben von Migranten und Deutschen gesprochen wird. Dabei sollen alle Meinungen vorgebracht werden können, auch wenn sie anormal oder abartig erscheinen mögen.
Ist es nicht ein Widerspruch, dass Potsdam ein solches Toleranzprojekt startet und auf der anderen Seite haben Menschen mit ausländischem Pass kaum ein demokratisches Mitwirkungsrecht in der Kommune?
Sie meinen das Kommunalwahlrecht. Ich erinnere daran, dass sich die Stadtverordnetenversammlung im Jahre 2005 mit nur einer Gegenstimme für das Ausländerwahlrecht ausgesprochen hat. Aber um das durchzusetzen, müsste das Grundgesetz geändert werden. Die Potsdamer Stadtverordneten haben ihre Möglichkeiten ausgeschöpft. Auf Landesebene müsste mehr geschehen. Das Land sollte sich im Bundesrat den Initiativen für die Änderung des Grundgesetzes anschließen.
Potsdam soll laut Oberbürgermeister Jakobs ein Zufluchtsort für Menschen ohne Heimat sein. Ist es nicht aber so, dass Migranten und Deutsche nebeneinander her leben?
Den Eindruck habe ich nicht. Potsdam ist eine der wenigen Kommunen, die sich Gedanken gemacht haben, wie die Ausländer an ihrem Wohnsitz integriert werden können. Hier werden die Migranten so untergebracht, dass sie mit den Einheimischen zusammenleben können. Man hat versucht, die Migranten nicht nur am Schlaatz oder am Stern zu konzentrieren. Es gibt natürlich trotzdem Reibungspunkte. Das Problem ist, dass viele Menschen hier ebenfalls in einer schwierigen Lage sind und keine Arbeit haben. Daher sehen sie auch nicht sehr weit über ihre eigenen Probleme hinaus. Sie haben genug mit sich zu tun und interessieren sich daher wenig für den anderen. Zuwanderer sind immer ein Gewinn. Universitäten polieren ihr Image auf, indem sie auf die vielen Nationalitäten verweisen. Durch die Vermischung unterschiedlicher nationaler Hintergründe entsteht meist etwas Positives. Die Geschichte zeigt immer: In der Vielfalt liegt Stärke.
Das Toleranzprojekt sieht Unterschriften vor und Selbstverpflichtungen. Werden die Migranten auch Selbstverpflichtungen abgeben?
Na klar. Der Sinn ist ja der, dass alle in der Gesellschaft angesprochen sind und da gehören die Migranten dazu. Daher müssen sie sich Gedanken machen, welche Verpflichtungen sie eingehen können. Im Ausländerbeirat haben wir u.a. vor, uns zu Aktionen für das Kommunalwahlrecht für Ausländer zu verpflichten. Wir sehen es auch als unsere Verpflichtung an, uns für mehr Ausländer im Öffentlichen Dienst und der Stadtverwaltung einzusetzen. Potsdam hat vier bis sechs Prozent Migranten – dieser Prozentsatz müsste sich auch in der Mitarbeiterzahl der Stadtverwaltung widerspiegeln. Zurzeit haben wir ca. 1400 Mitarbeiter in der Stadtverwaltung und davon haben nur acht einen Migrationshintergrund. Den Vorschlag, die Funktion der Ausländerbeauftragten mit der Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragten zusammenzulegen finde ich nicht gut. Das bedeutet, Öl mit Butter zu vermischen. Ich halte diese Zusammenlegungen für uneffektiv, denn jeder hat in seinem Bereich schon viel zu tun, vor allem darf nicht eine vermeintliche Kosteneinsparung ausschlaggebend sein.
Mit der Wahl des Ausländerbeirates am 28. September haben die Migranten eine gewisse demokratische Mitwirkungsmöglichkeit. Rechnen Sie mit einer großen Resonanz?
Wir wären froh über zwanzig Prozent Wahlbeteiligung. Unsere Klientel ist bekanntermaßen eher variabel. 13 Prozent würde ich auch nicht als Niederlage betrachten. Gegenwärtig sind wir auf der Suche nach den Kandidaten für den neuen Beirat.
Das Gespräch führte Günter Schenke
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