zum Hauptinhalt

Links und rechts der Langen Brücke: Nicht wegnehmen lassen

Michael Erbach wünscht sich eine würdige Ehrung für die Opfer der Bombennacht vom 14. April 1945 – in jedem Jahr

Stand:

Was bleibt vom diesjährigen Gedenken an das todbringende Bombardement Potsdams vom 14. April 1945? Die Erinnerung an ein Häuflein Jugendlicher, das auf dem Luisenplatz unter Hard-Rock-Klängen den Bomben-Tod tausender Zivilisten feierte, und die unglückliche Rede eines 93-jährigen Zeitzeugen auf einer Veranstaltung der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Zwar wollte er nach eigener Aussage mit seinen Ausführungen über den rasanten Aufstieg Hitlers und dessen angeblichen Wohltaten – zum Beispiel sinkende Arbeitslosenzahlen – nur deutlich machen, wie der spätere Kriegstreiber ein ganzes Volk zu seinen Anhängern machen konnte. Doch die Rede ging gründlich daneben. Bei einigen Gäste kam sie als stückweise Lobeshymne für Hitler an. Der Vorsitzende des Kulturausschusses der Stadtverordnetenversammlung, Eberhard Kapuste, sagte im Nachhinein, Wilhelm Stintzing habe eine Ansprache gehalten, bei der der Zuhörer „inständig hofft, der Redner möge bitte wieder aus dem von ihm selbst errichteten Gedanken-Wald herausfinden“. Für ihn bleibt der ehemalige Pfarrer von Groß Glienicke ein ehrenwerter Mann. Kapuste stellte in diesem Zusammenhang öffentliche Auftritte von Zeitzeugen in Frage. Er habe schon zu oft erlebt, dass Zeitzeugen der Sache, die sie vertreten wollten, nicht gedient hätten. Mag Stintzing tatsächlich mit seiner Rede eher Verwirrung gestiftet haben – ein Redeverbot für Betagte wäre ein Affront, ginge auch am Problem vorbei. Natürlich sollen Zeitzeugen, solange es sie noch gibt, vor jüngeren Menschen reden und auch ruhig mal im Ton daneben hauen – das lässt sich alles klären. Und auch geschichtsverwirrte Jugendliche dürfen die Fahnen der Alliierten schwenken und mit Sprüchen, wie „Alles Gute kommt von oben!“ unschuldige zivile Opfer eines Weltkriegs verhöhnen. Bedenklich wird es nur, wenn eine geschundene Stadt wie Potsdam, die noch heute an den Folgen jenes Bombenangriffs leidet, diesen Gedenktag komplett Menschen überlässt, die daraus eigenes Kapital schlagen. Vor zwei Jahren, zum 60. Jahrestag der „Nacht von Potsdam“, gab es eine Gedenkwoche. In diesem Jahr war nichts – abgesehen vom Krach auf dem Luisenplatz und dieser verunglückten Pfarrersrede. Das ist das, was vom 14. April 2007 bleibt – allein, weil es nur der 62. Jahrestag des Bombenangriffs war? Niemand erwartet, dass es an jedem Jahrestag eine Gedenkwoche gibt, doch die Stadt sollte sich Gedanken darüber machen, den mehr als tausend Toten jener schrecklichen Nacht in jedem Jahr auf würdige Weise die Ehre zu erweisen. Ob Glockengeläut aller Potsdamer Kirchen, Kerzen in den Fenstern, ein Gedenkkonzert – Möglichkeiten gibt es viele. So kann auch verhindert werden, dass das Befremden im kommenden Jahr durch Aktionen ganz anderer Art möglicherweise noch größer wird.

Michael Erbach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })