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Landeshauptstadt: Nie wieder

Elisabeth Fischer erlebte in Babelsberg den Angriff vom 14. April 1945

Stand:

Elisabeth Fischer erlebte in Babelsberg den Angriff vom 14. April 1945 Kurz vor Kriegsende, am 14. April 1945, wurde Potsdam Ziel eines verheerenden britischen Luftangriffes. Aus Anlass des 60. Jahrestages des Bombardierung schildern Zeitzeugen in den PNN, wie sie die Nacht des 14.April er- und überlebt haben. Heute: Elisabeth Fischer, geboren 1934 in Potsdam. Als Elfjährige erlebte sie den Angriff von Babelsberg aus. Die heute auf Hermannswerder wohnende Rentnerin arbeitete als Kindergärtnerin. Wir wohnten in Babelsberg in der Rudolf-Breitscheid-Straße. Nach dem Sirenenton gingen wir alle, meine Eltern und meine Geschwister, aus dem Haus in den Keller. Von uns Kindern hatte jeder eine von unserer Mutter genähte Stofftasche um. Darin war Wechselwäsche und etwas Einback, Gebäck, das im Gegensatz zum Zwieback nur einmal gebacken war. Jedes Kind, auch die ganz Kleinen, hatten so eine Tasche am Körper zu tragen, das war so angeordnet. Im Keller hatte jeder seinen Platz. In der Ecke stand ein großer Wasserbehälter, um Tücher nass zu machen und um den Kopf und auf das Gesicht zu legen. Mein Bruder war 15 Jahre alt und flitzte gleich los. Er war Flak-Helfer. Wir glaubten ja, dass die Flugzeuge nach Berlin fliegen würden. Mein Vater stieg noch mit mir auf den Hausboden, und durch das Dachfenster sahen wir das Absetzen der Christbäume. Da wurde uns klar, dass Potsdam bombardiert werden sollte. Wieder unten angekommen, hörten wir das gleichmäßige Brummen der Bomber. Man hatte ja immer Angst, aber als wir wussten, dass wir dran waren, war es viel schlimmer. Dann fielen ohne Unterbrechung die Bomben. Unser Haus hob und senkte sich wie ein großes Schiff. Manche haben geschrien, wir nicht, wir haben geweint. Wir glaubten an den sicheren Tod. Mein Vater war Eisenbahner und beruhigte uns. Er meinte, alle großen Häuser an Zugstrecken stünden auf einem Resonanzboden und würden die Bewegungen aushalten. Und wirklich! Das Haus über uns stand nach dem Angriff noch, aber alle Möbel standen woanders, die Fenster waren kaputt. In der Mauer unserer Wohnung war ein Riss, er wurde nie zugemacht. Mein Vater sagte immer, wegen dem Riss müssen wir soviel heizen. Draußen war es taghell. Potsdam brannte 14 Tage lang. Da mein Bruder nicht nach Hause kam, ging mein Vater ihn suchen und fand ihn auch. Er räumte mit anderen 14 Tage lang Leichen aus Kellern und sie ernährten sich von Eingemachtem aus den Kellern. Erst nach 14 Tagen kam er nach Hause. Während des Angriffes hatten wir alle Angst, der Gaskessel der Gasanstalt könnte getroffen werden und wir würden alle vergast. Aber er blieb verschont, obwohl es ringsum brannte. Mit meiner Mutter wollten wir unsere Verwandten in Potsdam suchen, aber die Brücke nach Potsdam bestand nur aus den Eisenträgern. Dort balancierten wir darauf entlang. Am Alten Markt sahen wir, dass dort alle Leichen abgelegt wurden. Es war schaurig. Unsere Verwandten fanden wir unversehrt. Wir gingen durch brennende Straßen und ich sah einige Male, dass Menschen, die nicht den Mut hatte, aus ihrem brennenden Haus aus dem Fenster zu springen, verbrannten. Noch Jahre konnte ich nicht ohne panische Angst nach Potsdam gehen. Erst als die Stadt später langsam enttrümmert wurde und neue Häuser entstanden, schwand meine Angst. Als Kinder haben wir oft Bombensplitter gesammelt. Die haben wir immer ehrfürchtig betastet – vielleicht haben wir gedacht, der hat uns nicht erwischt. Später wurde Potsdam zur Festung erklärt. Dass hatte zur Folge, dass die Stalinorgel von den Nuthewiesen aus auf Potsdam schoss. Es war eine furchtbare Zeit, die uns alle prägte. Nie wieder. aufgeschrieben von Guido Berg

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