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Landeshauptstadt: Niemand wird kriminell geboren

Potsdam finanziert Anti-Aggressionstraining für straffällige Jugendliche – „gut angelegtes Geld“

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Für straffällige Jugendlichen kann es der letzte Ausweg vor dem Gefängnis sein. Doch es ist alles andere als ein Sanatoriums-Aufenthalt – das Anti-Aggressionstraining (AAT), ein Instrument der Jugendgerichtshilfe, das das Jugendamt der Stadt Potsdam auch 2008 einsetzen will. Seit 2006 haben 28 Jugendliche den AAT-Kurs abgeschlossen, der über 120 Stunden geht und an 13 Sitzungen samstags im Bürgerhaus Am Schlaatz stattfindet. Während der Landkreis Potsdam-Mittelmark sich nun aus dem Projekt verabschiedet, wie Sozialbeigeordnete Elona Müller gegenüber Journalisten erklärte, halte die Stadt Potsdam am Anti-Aggressionstraining fest. Ein Kurs läuft derzeit noch, ein weiterer ist in Planung und soll noch vor dem Sommer beginnen. Die Kurse werden von der Integrationshilfe Berlin veranstaltet. Das ausschließlich vom Jugendamt Potsdam finanzierte Programm kostet 7000 Euro und ist für zehn bis 14 Teilnehmer pro Kurs geplant.

Das ist „gut angelegtes Geld“, findet die Sozialbeigeordnete, denn die straffälligen Jugendlichen bekämen in den Kursen die letzte Chance, ihrem Leben eine andere Richtung zu geben, ihre Taten nachzuspüren, zu reflektieren und in Frage zu stellen. Das Anti-Aggressions-Training folge der Überlegung, niemand werde kriminell geboren; vielmehr seien jugendliche Kriminelle durch Sozialisationsfehler – durch ein nicht-optimales Elternhaus etwa – so geworden wie sie sind. Im Gegensatz zur Forderung nach härteren Jugendstrafen folge AAT dem Ansatz, dass Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen eher zu einer erfolgreichen Resozialisation führt, wie die Vorsitzende des Jugendrechtshauses Potsdam e.V. Christiane Dreusicke ergänzte.

„Wir sind gegen den Knast. Denn dann haben sie ihr Gesicht verloren und werden es nur schwer schaffen, ins Leben zurück zu finden“, sagt auch Anti-Aggressions-Trainer Ismail Ünsal. Das Training selber ist Ünsal zufolge kein „Kuschel-Kurs“, sondern äußerst anstrengend für die Jugendlichen. „Sie sind nicht glücklich, dass wir da sind“, sagt Ünsal. Schließlich werden die mit Gewalttätigkeiten aufgefallenen Jugendlichen beispielsweise auf den „heißen Stuhl“ gebeten, auf dem sie „durcheinander gebracht werden“, Fragen beantworten müssen, auf dem sie unter Stress stehen. „Wir übertreiben, wir nehmen sie in die Mangel“, erläutert Ünsal. Ziel ist es, dass sie die Schauspielerei fallen lassen, die Kontrolle verlieren und ihr „Thema“ zum Vorschein kommt. Ünsal: „Da kommen erstaunliche Tatsachen zutage.“ Beispielsweise Defizite im Elternhaus.

Was wollt ihr von mir? Auf diese Reaktion hat Ünsal eine Antwort: „Wir wollen 30 Sekunden von dir.“ 30 Sekunden sollen sie nachdenken vor der Gewalttat. Begehen sie sie dann doch, dann wollten sie es so. Da brauchen sie dann auch nicht zu heulen im Knast. „Es ist dann ihre Entscheidung“, so Ünsal. In den Jahren seiner Arbeit in Anti-Gewalt-Kursen reifte in Ünsal die Erkenntnis, welches Geistes Kind gewaltbereite Jugendliche sind: „Sie wollen schnell viel erreichen – Geld, Lust, Genuss, Macht.“ Ünsal: Wir machen ihnen dann klar, „je kürzer die Lösung, um so größer die Konsequenz.“ Guido Berg

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