Landeshauptstadt: Nikolai-Glocken verstummen
Gemeinde schickt über 80 Jahre altes Geläut in den Ruhestand / Vier neue Glocken werden ausgeschrieben
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Innenstadt - Mitten im Gottesdienstläuten wurde sie vor vier Jahren gestoppt. Und so verharrt die große 1,9 Tonnen schwere Stahlgussglocke der St. Nikolaikirche bis heute in Schwingposition. „Jede weitere Bewegung hätte den Nordostturm umgerissen“, sagte gestern Anja Kriebel, Kirchenälteste und Sprecherin der evangelischen Gemeinde, bei einem Ortstermin. In wenigen Wochen werden auch die übrigen beiden Glocken verstummen. „Wir schicken das Geläut in den Ruhestand“, so Kriebel. Danach werde die Statik der vier Türme des klassizistischen Bauwerks geprüft. Mit den Ergebnissen erfolge danach die Ausschreibung für vier neue Bronzeglocken im Gesamtwert von 100 000 bis 140 000 Euro, so Anja Kriebel. Das Geld sei eine Spende der Stiftung Preußisches Kulturerbe. Genommen werde das günstigste Angebot. Europaweit gebe es allerdings nur noch eine Handvoll Glockengießereien.
Die ursprünglich vier Bronzeglocken, die die Gläubigen zum Gebet riefen, fielen bereits dem Ersten Weltkrieg zum Opfer. Sie wurden damals eingeschmolzen. In der Nachkriegszeit habe die Gemeinde in einer Spendenaktion Geld für ein neues Geläut gesammelt. Gereicht habe es aber nur für Stahlgussglocken, die eine Lebensdauer zwischen 80 und maximal 100 Jahren hätten. 1922 wurden die drei Glocken aus Stahl eingehängt, „sie haben ausgedient“. Die vierte Glocke im Südwestturm habe ihre eigene Geschichte. Die stamme nämlich aus dem in der Bombennacht zum 15. April 1945 abgestürzten Geläut der Garnisonkirche. „Die Reste wurden eingesammelt und zu einer Glocke verschmolzen“, erzählte Anja Kriebel. Das Bronzestück solle – vorbehaltlich der Zustimmung der Heilig-Kreuz-Gemeinde – nun Teil der Ausstellung zur Garnisonkirche werden. Die große Stumme wird bis 2011 ihr Dasein im Depot des Potsdam Museums fristen, bis sie einen Platz im neuen Museumshaus im Alten Rathaus findet. Die kleine Stahlgussglocke behält die Nikolaigemeinde für ihre eigene Bauausstellung. Sie trägt die Inschrift: Danket dem Herrn. Eine der vier neuen Glocken solle auch dieses Bibelzitat als Kontinuum erhalten, sagte die Kirchenälteste. Neben dem Danken sollen Loben, Beten und Büßen als die vier tragenden Säulen der Religion mit Bibelzitaten in die Bronzeglocken gegossen werden. Auch das neue Geläut solle zu den Tageszeiten 8, 12 und 18 Uhr sowie zu Gottesdienstbeginn und -ende ertönen. In seiner Entstehungszeit aber werde die St. Nikolai ohne Glockenläuten bleiben.
Nicola Klusemann
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