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Polarforscher bringen deutschen Brauch nach Norden
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Polarforscher bringen deutschen Brauch nach Norden POST AUS DEM EIS Potsdamer Polarforscher arbeiten das ganze Jahr über in der Koldewey-Station auf Spitzbergen, auch in der dunklen und kalten Zeit der Polarnacht. Wie kommen sie zurecht mit der Einsamkeit, der Kälte, den Monaten ohne Tageslicht? Den PNN schicken sie regelmäßig eine Botschaft aus dem Eis. 1. bis 5. Dezember: Gerade hat uns wieder ein Stationsgast mit dem Flugzeug Richtung Deutschland verlassen. Siegrid Debatin war vier Wochen an der Station, um das umgebaute Sternenphotometer zu installieren und erste Messungen damit vorzunehmen. Wie jeder Gast hat sie hier nicht nur einiges für die Wissenschaft getan, sondern auch mehr Leben in unseren Arbeitsalltag im Dunkeln gebracht. Ich freue mich immer, wenn neue Gäste mit interessanten Aufgaben an die Station kommen. Ihre so verschiedenen Anforderungen an mich lassen jeden Tag aufs Neue spannend werden. Siegrid hat uns einen vorweihnachtlichen Gruß unserer Potsdamer Kollegen mitgebracht – einen Adventskalender mit 24 Geschenken, die Jens, unser Stationsleiter, und ich jeden Tag gemeinsam beim Kaffee trinken öffnen. Vor dem Auspacken jedoch steht immer ein Rätsel, dessen Lösung einen Hinweis auf den Inhalt des Pakets gibt. Heute am 5. Dezember sollten wir ein „für diesen Abend unerlässliches Hilfsmittel“ erraten. Das Paket enthielt eine Schuhbürste, mit der wir unsere Fell gefütterten und mit Stahlkappen verstärkten Arbeitsstiefel auf Hochglanz polieren können. Aber selbst wenn wir noch so lange putzen würden – für ein Nikolausgeschenk wird uns das nicht viel bringen. In Norwegen ist der Brauch des Stiefelfüllens leider nicht bekannt. So haben wir beschlossen, uns heute Abend für eine gewisse Zeit nicht weiter der Atmosphärenforschung zu widmen, sondern selbst Nikolaus zu spielen. Wir werden mit einem großen Sack durch Ny-Ålesund ziehen und jedem Einwohner eine kleine Tüte mit deutschen Weihnachtssüßigkeiten und einer Erklärung, warum wir in unserer Heimat am 6. Dezember den Nikolaustag feiern, in den Schuh legen. Probleme mit verschlossenen Türen, wie man sie in Deutschland erwarten dürfte, werden wir dabei nicht haben: Wegen der Gefahr eines unerwünschten Eisbärenbesuchs im Ort bleiben alle Türen permanent als Fluchtmöglichkeit geöffnet. Auch werden wir die Stiefel eines jeden Einwohners direkt am Eingang vorfinden. Wie überall in Norwegen zieht man hier die Schuhe gleich beim Betreten einer Wohnung aus, um nicht Schnee und Eis in die Räume zu tragen. Ein schöner Brauch, der nicht nur sehr praktisch ist, sondern auch sofort eine gemütlichere Atmosphäre schafft. Mir kam es anfänglich nur ein wenig komisch vor, selbst im örtlichen Dieselkraftwerk auf Socken zu laufen. Nachdem sich der Himmel über Ny-Ålesund in den letzten Tagen hinter einer dicken Wolkendecke versteckt hat, aus der auch die eine oder andere Schneeflocke gefallen ist, haben wir seit gestern wieder annähernd freie Sicht auf die Sterne und den Mond. Anfang nächster Woche ist Vollmond, und schon jetzt kommt mir sein Licht unglaublich hell vor. Dank des Mondlichtes und seiner Reflexion durch den Schnee lassen sich sogar einige Konturen und Strukturen der umliegenden Berge erkennen. Ein wunderschöner Anblick. Wenn der Mond günstig steht und sich auf der Wasseroberfläche des Fjords spiegelt, könnte ich stundenlang draußen stehen und mir die Umgebung ansehen. Für Deutsche ist das vielleicht nicht ganz begreiflich, doch wenn tagelang die Außenbeleuchtungen der Häuser des Dorfes die einzige Lichtquelle sind, erscheint das Mondlicht wie ein kleines Wunder. Da nimmt man auch die recht unangenehmen gefühlte Temperatur von -30°C in Kauf. Konstanze Piel, Chefingenieurin
Konstanze Piel, Chefingenieurin
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