Landeshauptstadt: Noble Mischung
Schiffbauergasse: Eintracht von Kunst und Gewerbe
Stand:
In der Schiffbauergasse liefen einst Dampfschiffe wie die „Friedrich Wilhelm III.“ (1818) und die „Blücher“ (1819) vom Stapel. Aber noch eine andere gewerbliche Nutzung, von der sogar der heutige Theaterneubau profitiert, gab es: Seit 1779 ist an der Schiffbauergasse eine Mühle dokumentiert. Sie mahlte die vorbehandelten Wurzeln der Wegwarte (wissenschaftlicher Name: Cichorium intybus), dem Rohstoff für Kaffee-Ersatz. Als der echte Kaffee dieses Produkt verdrängte, ließ König Friedrich Wilhelm III. die zunächst funktionslose Mühle durch Ferdinand Hesse mit einem Zinnenkranz versehen, um sie an den englischen Burgenstil des Schlosses Babelsberg anzugleichen. Später zog eine Dachpappenfabrik ein, die noch bis zum Jahre 1907 arbeitete. Die Gebäude ging nach deren Schließung in den Besitz der seit 1856 existierenden Gasanstalt über. Das Gaswerk, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, nahm bereits am 28. August 1945 wieder seinen Betrieb auf und funktionierte nach mehrfachem Umbau bis zur Stilllegung am 1. Juli 1990. Neben der Industrie hatten sich seit 1822 die ausgedehnten Baulichkeiten für die Leib-Garde-Husaren-Kaserne breit gemacht. Sowohl die Industrie- als auch die Kasernenbauten entwickeln sich nun zu einem weithin einzigartigen „Zentrum für Kunst und Soziokultur (ZKS).“ Aus der Zichorienmühle entstand ein Theaterrestaurant für 150 Gäste.
Die ehemalige Reithalle A bietet 250 Zuschauern Platz und dient als Hauptspielstätte des Kinder- und Jugendtheaters. Zum ZKS gehört ferner das T-Werk, ein internationales Theater- und Tanzpädagogikzentrum. Seit dem Jahre 1997 arbeitet es mit eigenem Ensemble. Im Mittelpunkt stehen freie Theaterarbeit sowie kreative Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Als Theater für zeitgenössischen Tanz hat sich die „fabrik“ über die Grenzen Potsdams hinaus einen Namen gemacht. Seine Spielstätte war die erste, die im Rahmen der Neueinrichtung des Zentrums für Kunst und Soziokultur fertig wurde.
Der am längsten an der Schiffbauergasse etablierte Verein ist das „Waschhaus“ in der ehemaligen Garnison-Dampf-Waschanstalt. Zusammen mit anderen Räumlichkeiten und dem Open-Air-Bereich bietet sie einen genreübergreifenden Kulturraum: Musik, Film, Tanz, Lesungen und Bildende Kunst. Am 19. Mai 2006 eröffnete das Waschhaus den neuen „Kunstraum Potsdam“ am ehemaligen Schirrhof. Dort, wo die Leib-Gardisten zu Kaisers Zeiten direkt aus dem Pferdestall in die Schinkelhalle reiten konnten, finden jetzt Ausstellungen statt. Bis zur Sanierung des alten Waschhausgebäudes nutzt der Verein die älteste Reithalle, erbaut nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel.
Die Kombination von „Hochkultur“, „Freier oder alternativer Kultur“ und Gewerbe soll die Existenzgrundlage des einzigartigen Standortes an der Schiffbauergasse bilden. Mit der Etablierung des Software-Anbieters Oracle am 30. Juni 2003 und der Eröffnung des VW-Design-Centers im Frühjahr 2004 sind die Duftmarken für den Gewerbestandort gesetzt. Für einen weiteren Gewerbe-Komplex soll es schon jetzt mehr Anfragen als Flächen geben. Günter Schenke
Günter Schenke
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