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Homepage: „Noch einige Überraschungen“

Brigitte Knopf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warnt vor dem Ausbleiben des Monsuns durch Luftverschmutzung

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In Potsdam beschäftigen sich zahlreiche Wissenschaftler mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Sie forschen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), aber auch bei den Geoforschern, den Polarforschern, den Agrarforschern oder an den Hochschulen. Die PNN stellen die Forscher mit ihren aktuellen Erkenntnissen, ihren Prognosen und auch Ratschlägen vor. Heute Dr. Brigitte Knopf vom PIK über möglich Auswirkungen des Klimawandels auf den Monsun.

Frau Knopf, was interessiert Sie gerade am Monsun?

Wir haben ein qualitatives Modell erarbeitet, das uns zeigt, was mit dem Monsun – der periodischen Regenzeit in Indien – unter Bedingungen des Klimawandels passieren könnte. Keine Vorhersage, aber eine mögliche Entwicklung. Wir haben zum Beispiel die Rückstrahlungskraft der Sonneneinstrahlung untersucht. Diese Strahlung wird durch Aerosole – kleine Schwebepartikel in der Luft, die bei Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt werden – beeinflusst. Es kann nach unseren Ergebnissen sogar zu einem völligen Ausbleiben des Monsuns aufgrund eines erhöhten Ausstoßes von Sulfat-Aerosolen kommen.

Mit welchen Folgen?

Mit dramatischen Folgen. In Indien leben eine Milliarde Menschen, über zwei Drittel davon von der Landwirtschaft. Die wären davon stark betroffen. Der Monsun ist die Lebensader Indiens, die Niederschläge sind bislang immer regelmäßig gekommen. Wenn sie plötzlich ausbleiben, könnte es zu großen Hungersnöten beispielsweise in Indien kommen.

Aerosole sind vor allem in Indien ein Problem?

Unter anderem, die Schwefelschwebepartikel sind über Asien und Indien in einer Staubwolke vorhanden, weil die Abgase dort kaum gefiltert werden. Sie verdunkeln sozusagen das Sonnenlicht, mit Folgen für das Klima.

Eigentlich entsteht doch durch Kohlendioxid eine Erwärmung. Nun kühlen die Aerosole die Sonneneinstrahlung?

Das ist kein Widerspruch. Es sind zwei parallel laufende Entwicklungen. Die Erwärmung durch CO2 wird global gesehen durch die Schwefel-Schwebeteilchen gebremst. Wenn es die Aerosole nicht gäbe, wäre die Erwärmung der letzten 100 Jahre noch weitaus größer ausgefallen. Es gibt nun sogar Überlegungen, Aerosole gezielt in die Atmosphäre einzubringen, um die Erwärmung zu bremsen. Davon halte ich gar nichts: Die Folgen wären völlig unberechenbar.

Was macht die Aerosole so gefährlich?

Bei der Emission der Sulfat-Aerosole gibt es einen Kipp-Punkt, wenn der überwunden ist, kann man die Entwicklung nicht so schnell wieder zurücksteuern. Man kann das mit einem Glas Wasser vergleichen, bis zu einem gewissen Punkt kann ich weiter Wasser eingießen, plötzlich aber kippt es und läuft über. Wenn es erst zum Ausbleiben des Monsuns gekommen sein wird, müsste man große Anstrengungen unternehmen, um gegenzusteuern.

Was erwarten Sie für die Region?

Vor allem, dass die Anpassungsfähigkeit der indischen Bevölkerung vor eine sehr große Herausforderung gestellt wird. Als schlimmstes Szenario kann man sich einen Achterbahneffekt vorstellen, das Wechselspiel von Ab- und Zunahme des Monsuns. Dann müsste man sich abwechselnd auf Überflutung oder Dürre einstellen.

Wird die Entwicklung in der Region wahrgenommen?

Die indische Regierung ist ein Mitverursacher der Aerosol-Emission. Daher stellt sie sich auf den Standpunkt, dass es keine Probleme mit dem Klimawandel gibt. Auch die Gletscherschmelze am Himalaja wird nicht benannt.

Gab es in der Erdgeschichte schon einmal das Ausbleiben des Monsuns?

Es gab Zeiten, in denen das Wetterphänomen schon völlig zum Erliegen kam. Das hatte mit der Sonneneinstrahlung und veränderter Kohlendioxid-Konzentration zu tun. Unser Szenario fußt also auf vorhandene Vorgänge.

Was beobachten Sie derzeit?

Neuere Studien zeigen, dass der Monsun momentan in der Intensität eher zunimmt. Die extremen Niederschläge nehmen zu, es kommt häufiger zu Überschwemmungen. Durch die globale Erderwärmung verdunstet mehr Wasser, was die Niederschlagstätigkeit verstärkt.

Wie kann man das Problem in den Griff bekommen?

In Europa haben wir weniger Probleme mit diesen Emissionen. Die Dunstwolke entsteht in Asien, sie zieht zum Teil auch von China nach Indien herüber. Hier wird in den kommenden Jahren ein weiteres Wirtschaftswachstum erwartet, also auch steigende Emissionen. Daher müssten auch hier in Zukunft die technischen Möglichkeiten – etwa Filteranlagen – in Anspruch genommen werden, um die Abgase zu reinigen.

An welchem Punkt sehen Sie derzeit das Weltklima?

Ich denke, es ist tatsächlich fünf vor zwölf. Wir müssen jetzt etwas unternehmen. Wenn wir nicht umsteuern, kann es sehr dramatische Folgen haben, vor allem auch in den Entwicklungsländern. Ich glaube aber, wir haben jetzt noch Zeit, um etwas zu unternehmen. So könnte der Klimawandel in einem gewissen Rahmen gehalten werden. Wir halten zwei Grad Erwärmung für die maximale Obergrenze, die wir nicht überschreiten dürfen. Mit Blick auf die Schwellenländer wird es auf den Willen der Industrienationen ankommen. Wenn bei uns eine Art technische Revolution entsteht, dann wird diese Dynamik auch auf Entwicklungsländer ausstrahlen. Erneuerbare Energien sind gerade für diese Länder eine große Chance, etwa im Bereich der Solarenergie. So könnte sich manches Land als Energielieferant aus der wirtschaftlichen Umklammerung lösen.

Und bei uns?

Auch hier muss sich auf jeden Fall noch etwas in den Köpfen ändern. Das fängt schon bei den Schulen an. Es ist ein Bildungsauftrag, das Thema ganz massiv in die Schulen zu tragen.

Was sollte man den Kindern sagen?

Etwa, dass Verschwendung vermieden werden soll. Beispielsweise, dass man das Licht ausmachen soll, wenn man es nicht braucht, dass man später nicht unbedacht das Auto nutzen sollte, und dass unnötige Flugreisen vermieden werden sollten. So etwas spielt sich bei Kindern ja ein, das weiß man beispielsweise von der Mülltrennung.

Was kann der Einzelne machen?

Etwa die Bahn anstatt des Billigfliegers nehmen. Jeder müsste sein Verhalten generell überdenken. Es muss nicht gleich Askese sein, aber unnötige Energieverschwendung muss nicht sein. Die Haushalte haben eine hohen Anteil am Klimawandel. Jeder Einzelne kann etwas tun. Das ist die gute Seite an der Sache, wir brauchen den Kopf nicht in den Sand stecken.

Manch einer muss aber auch gezwungen werden.

Klar, das zweite Standbein sind politische Maßnahmen, etwa auch klimaschädliche Verkehrsmittel teurer zu machen. Eine CO2-Steuer für Flüge ist absolut wichtig. Dennoch: Es ist ganz wichtig, die Bevölkerung auch mitzunehmen. Das Umdenken im Kopf ist wichtig.

Sie wären bereit sich einzuschränken?

Ich überlege schon bei jeder Urlaubsreise, ob das sein muss. Flüge sind beim Verkehr die größten CO2-Produzenten, für eine Reise nach New York könnte man ein Jahr lang Auto fahren.

Was würden Sie den Menschen mit auf den Weg geben?

Es ist noch nicht alles verloren. Jeder einzelne kann etwas machen. Als Physikerin weiß ich aber auch, dass es nichtlineare, unvorhergesehene und abrupte Entwicklungen geben kann, also dass es nicht unbedingt langsam wärmer wird und sich alle daran gewöhnen. Das Erdsystem wird noch einige Überraschungen für uns haben.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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