
© Jan Kuppert
Von Michael Meyer: Noch lange nicht satt
Turbine Potsdam feierte den vierten Deutschen Meistertitel und hat in den nächsten Jahren noch viel vor
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Wenn Bernd Schröder das Steigerlied anstimmt, ist Großes gelungen. So wie am vergangenen Sonntag, als der Cheftrainer Turbine Potsdams auf Drängen seiner Spielerinnen am späten Abend im Duett mit Vereins-Vizepräsident Rolf Kutzmutz das „Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt“ durch die Gaststätte „Jourfixe“ schmetterte. Stunden zuvor hatte sich Turbine durch einen 1:0-Heimsieg über den SC 07 Bad Neuenahr vorzeitig zum vierten Mal den Deutschen Meistertitel im Frauenfußball erkämpft, und nun feierte die Mannschaft auch mit gewissen Ritualen.
Dazu gehört ein Vortrag des Steigerliedes durch den gelernten Bergbauingenieur Schröder, der mit seinen Kickerinnen zu Motivationszwecken auch schon 1200 Meter ins Steinkohlebergwerk „Auguste Victoria“ Recklinghausen und 300 Meter ins Salzbergwerk Sondershausen einfuhr. Und zu den Ritualen zählt eigentlich auch Schröders Meisterzigarre, die er am Sonntag aber nicht zückte. „Ich hatte mir aus lauter Aberglaube, das noch was schiefgehen könnte, keine eingesteckt“, gestand der Coach mit Gattin Ulrike an seiner Seite.
Turbine feierte den zweiten großen Erfolg dieser Saison neben dem im Januar erfolgreich verteidigten Hallenmeistertitel ganz in Familie. Dazu zählte am Sonntagabend auch die norwegische Nationalspielerin Leni Larsen Kaurin, die eigentlich im Winter zum FFC Frankfurt gewechselt war, dort ihren bis 2011 datierten Vertrag aber inzwischen wieder aufgelöst hat. „Ich habe dort keine Chance gesehen, mich mit Bundesliga-Spielen für die WM zu empfehlen“, sagte die 29-Jährige, die jetzt Angebote anderer deutscher Erstliga-Vereine, unter anderem des VfL Wolfsburg, prüft. In Potsdam sei sie wieder „unter vielen Freunden“, meinte sie. Und: „Ich freue mich heute Abend mit der Mannschaft.“ Dass sie ebenfalls eine Meistermedaille umgehängt bekam, begründet Bernd Schröder so: „Leni hat schließlich auch ihren Anteil an unserem Erfolg.“
Den feierten viele Spielerinnen mit ihren Familien, ehe ein Teil kurz vor Mitternacht noch in eine Berliner Disko weiterzog. Yuki Nagasato hatte ihre Mutter Michiko dabei, die für eine Woche aus Tokio gekommen ist, um ihre Tochter siegen zu sehen und mit ihr Sanssouci und Berlin zu besichtigen. „Sie war ganz happy“, erzählte die japanische Stürmerin. Und Nadine Keßler hatte gleich großen Familienbesuch. Mutter Ruth und Vater August hatten aus Weselberg Oma Hilde mitgebracht, die die 700-Kilometer-Reise nach Potsdam zu ihrem 80. Geburtstag geschenkt bekommen hatte und nun mit der Enkelin um die Wette strahlte. „Schön, dass sie das hier miterlebt haben. Alle waren überwältigt – ich selbst auch“, so Nadine Keßler später. „Ich kann es noch gar nicht fassen – vor einem Jahr habe ich mit Saarbrücken um den Erstliga-Aufstieg gekämpft und jetzt bin ich mit Potsdam Deutscher Meister.“
Satt ist Turbine nach diesem Titel noch lange nicht. „Wir können in den nächsten Jahren noch viel erreichen, denn unsere junge Mannschaft hat ihren Leistungs-Zenit längst noch nicht erreicht“, verkündete der Coach, dessen Spielerinnen alle noch einen Vertrag bis mindestens 2011 in Potsdam haben und gestern einen trainingsfreien Tag genossen. Als Nächstes will Turbine im Madrider Vorort Getafe am 20. Mai erster Champions-League-Sieger im Frauenfußball werden; dann wartet Olympique Lyon. „Und wir fahren nicht dorthin, um Zweiter zu werden“, sagte Mannschaftskapitän Jennifer Zietz, die die Meisterschale in der Nacht zum Montag neben ihrem Bett zu stehen hatte.
Bernd Schröder will in Madrid sicherheitshalber eine Zigarre dabei haben. Und wieder das Steigerlied anstimmen – wenn erneut Großes gelingen sollte.
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