Landeshauptstadt: „Noch sind längst nicht alle Opfer bekannt“
Der neu gegründete Verein Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis will Leistikowstraße 1 pachten, Spenden sammeln und die Bausubstanz sichern
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Der neu gegründete Verein Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis will Leistikowstraße 1 pachten, Spenden sammeln und die Bausubstanz sichern „Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam e.V.“ – so heißt der neu gegründete Verein, der die Bemühungen um die Nutzung und die Bausicherung des Hauses Leistikowstraße 1 intensivieren will, in dem ab 1945 Tausende vom sowjetischen Geheimdienst festgenommene Häftlinge auf ihre Erschießung oder die Deportation ins Straflager Workuta warteten. Die PNN sprachen mit dem 1. Vorsitzenden des Vereins, dem Pfarrer der Friedenskirche Christian Albroscheit. Sie haben 1998 mit der Historikerin Gisela Kurze eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, Kontakte zu den überlebenden Opfern aufgenommen, in der Leistikowstraße die Gedenkstätte konzeptionell weiterentwickelt, in der eine Dauerausstellung und Wechselausstellungen gezeigt werden. Warum nun ein Verein? Der Verein wird nach seinem Eintrag ins Vereinsregister und Zuerkennung der Gemeinnützigkeit weitaus mehr bewegen können als die Arbeitsgemeinschaft. Zum einen besitzt er größere Kompetenz gegenüber unseren Partnern, zum anderen wird er zahlenmäßig sehr viel stärker sein. Zur ersten ordentlichen Mitgliederversammlung am 22. September haben wir zusätzlich etwa 50 Interessenten eingeladen. Außerdem werden wir in die Lage versetzt, selbst Spenden einzuwerben und dafür ein Konto zu eröffnen. Zu den wichtigsten Partnern zählt der Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein (EKH) als Hauseigentümer. Er hat bekundet, dass er mit der juristischen und finanziellen Verantwortung für das Gebäude, vor allem was die Sicherung der Bausubstanz betrifft, allein überfordert ist. Wir streben mit dem EKH, der sich für den Erhalt des Hauses ausgesprochen hat, eine engere Zusammenarbeit zur Lösung der Probleme an. Spenden könnten u.a. für die Bausicherung eingesetzt werden. Noch ist unser Verein sehr jung, aber wir denken über einen Pachtvertrag nach. Dadurch würden wir Mitverantwortung auch in Baufragen übernehmen. Bei der Klärung der gegenseitigen Kompetenzen will der Kreiskirchenrat mitwirken, den Superintendent Bertram Althausen für den 18. September zu einer Begehung angemeldet hat. Tatsache ist aber, dass der EKH ausgerechnet den authentisch erhaltenen Zellentrakt im Keller gesperrt hat, also das Herzstück der Gedenkstätte, wo das ganze Ausmaß der Repressionen gegenüber den Häftlingen sichtbar wird. Deshalb suchen wir ja das Gespräch, um solche Probleme zu klären. Die Sperrung wird mit einem fehlenden Fluchtweg und zu tief angebrachten Rohren begründet, an denen sich die Besucher Kopfverletzungen zuziehen könnten. Da müsste doch wohl kurzfristig eine Lösung zu erreichen sein. Das bringen auch Besucher im Gästebuch zum Ausdruck. Das Interesse an der Gedenk- und Begegnungsstätte, die mit Abschluss der vorigen Saison 12 500 Besucher zählte, nimmt weiter zu. Wie will der Verein darauf reagieren? Eine Ausdehnung der Öffnungszeiten wird erst möglich sein, wenn das Haus wieder beheizbar ist. Ausgebaut haben wir jedoch bereits die Gruppenführungen. Wir werden Vereinsmitglieder dafür schulen, damit diese Aufgabe auf breitere Schultern verteilt wird. Ebenso soll die Zahl der Veranstaltungen, vor allem die Begegnung mit überlebenden Opfern, erhöht werden. Die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit schließt die Tätigkeit von amnesty international, die das Obergeschoss nutzt, und die Wechselausstellungen ein. Wir werden mit Hilfe eines wissenschaftlichen Beirates, für den u.a. Bildungsminister Steffen Reiche seine Mitwirkung zugesagt hat, unsere Forschungsarbeit intensivieren. Dabei ist der russisch-deutsche Opferverband „Memorial“ einer unserer wichtigsten Partner. Noch sind längst nicht alle Opfer und auch nicht alle Details über den Gefängnisalltag bekannt. Unser Anliegen ist, dass der Besucher ein reales und differenziertes Bild von den Vorgängen in diesem KGB-Gefängnis erhält, ohne etwas zu verniedlichen, aber auch ohne Klischees zu bedienen. Er soll begreifen, dass die Aufarbeitung der Geschichte des Hauses eine Mahnung für uns Heutige und damit ein Beitrag zur Völkerverständigung ist. Günther Jauch hat bei der Übergabe einer Spende das Haus Leistikowstraße 1 einen „Stachel im Fleische“ des Villen- und Landhausviertels genannt. Wie stellen sich denn die Bewohner zu der Gedenk- und Begegnungsstätte? Die von ihnen gebildete Nachbarschaftsinitiative möchte das Haus als mahnende Erinnerung an ein finsteres Kapitel der Nachkriegsgeschichte erhalten sehen. Das wird auch daran deutlich, dass neben dem Historiker Dr. Richard Buchner als zweitem Vorsitzenden und der bei der Birthler-Behörde tätigen Traudel Börner mit dem Rechtsanwalt Andreas-Peter Zelmer ein Mitglied dieser Nachbarschaftsinitiative dem Vereinsvorstand angehört. Wird der neue Verein künftig Eintritt für den Besuch der Gedenkstätte erheben? Das ist nicht vorgesehen. Wir bitten aber weiterhin um Spenden. Das Gespräch führte Erhart Hohenstein Der Verein und sein Vorsitzender Christian Albroscheit ist unter der Adresse Am Grünen Gitter1, 14469 Potsdam, Tel.: (0331) 96 10 42, zu erreichen
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