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Landeshauptstadt: Nostalgische Träume

Im September will der finanziell angeschlagene Waschhaus e.V. im sanierten Domizil an alte Tage anknüpfen

Stand:

Es hilft, immer wieder dem Volk genau aufs Maul zu schauen,wenn Erklärungsversuche zu bestimmten Problemen scheinbar alles nur noch komplizierter machen. „Beamtenwoodstock“ wird neuerdings das Zentrum für Kunst und Soziokultur in der Schiffbauergasse genannt. Ein Blick auf den katastrophal trostlosen Schirrhof, ein weiterer auf die Freifläche zwischen Waschhaus und „fabrik“ genügen, um zu verstehen, was mit „Beamtenwoodstock“ gemeint ist. Allein der Stahlkoloss von Freilichtbühne vor dem Waschhaus und dahinter, kurz vor dem Gebäude der „fabrik“, die akkurat auf das Pflaster gezeichneten Markierungen für die Parkplätze lassen sofort an die Mahnung denken: Für freie und Soziokultur, die den Standort vor 16 Jahren für sich entdeckten und eroberten, kann die Sanierung nur Anpassung oder das Aus bedeuten.

Treffender als mit „Beamtenwoodstock“ kann kaum auf den Punkt gebracht werden, was derzeit, kurz vor dem Abschluss der letzten Sanierungs- und Umbauarbeiten auf diesem Kulturstandort immer deutlicher zu werden scheint: Der nicht zu überwindende Gegensatz von reglementiertem und begrenztem Verwaltungsdenken und der zwanglosen und vom Alles-ist-möglich- Gedanken getragenen Herangehensweise der freien Szene.

„Eine lebendige Kunst- und Kulturszene trifft auf High-Tech-Unternehmen, spannende Geschichte trifft auf richtungsweisende Zukunft“ – so wirbt die Verwaltung im Internet für die Schiffbauergasse. Doch was Lebendigkeit der Kunst- und Kulturszene und die „richtungsweisende Zukunft“ betrifft, ist das eher Wunschdenken als Realitätsbeschreibung.

Dass freie Träger wie T-Werk, „fabrik“ und Waschhaus e.V. unter der auf ein Minimum reduzierten öffentlichen Förderung leiden, ist seit Jahren bekannt und zu beobachten. Auch das städtische Hans Otto Theater hat wegen der stagnierenden Förderung mit Problemen zu kämpfen. Kultur hängt am Tropf, das ist ein bekanntes Bild.

Seit Wochen ist bekannt, dass der Waschhaus e.V. in einer Finanzkrise steckt. Über 200 000 Euro Schulden drücken den Verein, bedingt durch die Sanierungszeit, aber zum Teil auch durch Fehler bei der Geschäftsführung verschuldet. In den kommenden Wochen will der Verein zurück in das, wie immer wieder betont wurde, „vorsichtig sanierte“ Waschhaus zurückkehren und im September mit dem alten Programm weiter machen wie in den Jahren zuvor. Auch wenn Katja Dietrich-Kröck, Mitglied im Vereinsvorstand, erklärt, dass niemand im sanierten Waschhaus mit „goldenen Wasserhähnen“ rechnen muss, das alte Waschhaus wird es so nicht mehr geben. Mancher befürchtet, auch das alte Publikum nicht.

Vielleicht ist das Schwarzmalerei. Vor der Sanierung jedoch galt das Waschhaus als alternativer Club, der sich trotz mancher Kompromisse den maroden Charme aus frühen Besetzertagen erhalten hatte und ein Publikum ansprach, das sich bewusst vom Mainstream abgrenzte. Zu den Kompromissen, die der Verein eingehen musste, gehören Tanzpartys, die entsprechend viel Publikum und das nötige Geld für die Eigenfinanzierung zogen.

Auf die geldbringenden Partys wird der Verein auch weiterhin setzen. Auch auf ein Programm, das den alternativen Flair der frühen Waschhaus-Jahre beschwört. Doch wer heute vor dem Veranstaltungshaus steht, dem kommen Zweifel, ob auf diesem „Beamtenwoodstock“ für solche nostalgischen Träume nicht längst die Zeit abgelaufen ist. Dass nun mit dem Lindenpark auch der zweite große soziokulturelle Verein in Potsdam wegen finanzieller Probleme in erheblichen Schwierigkeiten steckt, ist nur Ergebnis einer langen Entwicklung. Einer Entwicklung, deren Ursachen sowohl bei der fehlenden Förderung zu suchen sind, als auch bei der damit verbundenen hohen Risikobereitschaft, trotzdem ein vernünftiges Programm aufzustellen und finanzielle Verluste irgendwie aufzufangen.

Anpassung oder Aus? Diese Alternativen gibt es für den Waschhaus e.V. nicht. Zu viel Herzblut und Lebenszeit der Beteiligten steckt in dem Projekt. Angepasst hat sich der Verein längst, als die Sanierungen geplant wurden. Jetzt muss er einen Weg finden, den wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewachsen zu sein. Ohne weitere Kompromisse wird das nicht gehen. Sonst kann eintreten, was mancher schon jetzt sagt: Als die Stadt das Potenzial der Schiffbauergasse erkannte und investierte, begann sie damit, die freien Träger zu Tode zu umarmen.

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