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Landeshauptstadt: Nur 800 Jahre jünger als Ötzi

Einmaliger Fund auf Gelände der künftigen Feuerwache: 4500 Jahre altes Skelett und sein Grab entdeckt

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Innenstadt – Spektakulärer Fund auf dem Gelände der künftigen Feuerwache in der Türkstraße: In einem etwa 4500 Jahre alten Grab ist ein offenbar vollständig erhaltenes Skelett eines Bewohners der frühesten Phase der Bronzezeit gefunden worden. Bei dem in gehockter Stellung bestatteten Toten wurden zudem acht Pfeilspitzen aus Feuerstein und die Hälfte eines Keramikgefäßes gefunden, die seiner letzten Ruhestätte vermutlich beigelegt wurden. „Die reichen Beigaben deuten darauf hin, dass hier ein Jäger oder Krieger begraben wurde“, sagte Jana Vogt, Leiterin der archäologischen Ausgrabungen an der Türkstraße. Zudem lagen um das Gefäß herum Fischgräten, Tierknochen und Holzkohle – ein Indiz für ein letztes Mahl für den Toten.

Auf das Grab stieß die 25-Jährige in einem zwei Meter tiefen Regenwasserschacht bereits am Mittwoch – „der erste große Fund“ ihrer Karriere, am eigentlich letzten Tag der seit sechs Monate andauernden Grabungen. Seitdem werde „vorsichtig“ die Erde von dem Skelett abgetragen, so Vogt. Heute soll der bisher unbenannte Tote endgültig freigelegt sein. Dann ist eine genaue Datierung möglich.

Doch schon jetzt steht fest: Der Fund ist für Potsdam einmalig. „So ein Grab mit einem vollständigen Skelett wurde hier bisher nicht gefunden“, sagte Gundula Christl, Chef-Archäologin der Landeshauptstadt. Auch im Land Brandenburg seien erhaltene Gräber aus dieser Zeit nicht sehr häufig. „Das Grab stammt aus der Übergangszeit zwischen Jungsteinzeit und Bronzezeit in Mitteleuropa“, so Christl. So sei zu erklären, dass die gefundenen Pfeilspitzen aus Stein und nicht aus Bronze seien – damals sei das Metall noch wenig verbreitet gewesen. „Aber auch an dem Stein kann man sich noch schneiden.“ Den Toten ordnet Christl „vorsichtig“ der Aunjetitzer Kultur zu: Eine so genannte Sachgütergemeinschaft der frühen Bronzezeit, die in Thüringen, Polen und der Slowakei zwischen 2500 bis etwa 1600 vor Christus lebte. Die Kultur ist nach ihrem ersten Fundort Aunjetitz in Böhmen benannt. Zur Ethnie – ob Germane oder Slawe – könne man jedoch nichts sagen, so Christl. Auch sonst ist bis auf die gefundenen Pfeilspitzen und das Keramikgefäß noch vieles unklar. Jana Vogt schätzt den Toten auf etwa 1,75 Meter groß, etwa 35 bis 40 Jahre alt, mit breitem Kreuz und vermutlich männlich. Mit seinem Alter von rund 4500 Jahren ist er etwa 800 Jahre jünger als Ötzi, die bekannte Gletschermumie aus den Alpen.

Er ist nicht das erste Fundstück in der Türkstraße, in der Vogt im Auftrag der archäologischen Fachfirma ArGe Pro aus Cottbus nach Überresten der Vergangenheit. Damit sollen umfangreiche Rohrverlegungen für den Neubau der Feuerwache vorbereitet werden. „Wir haben bisher rund 2000 Befunde katalogisiert, also mehrere tausend Scherben, Knochen und ähnliche Fundstücke sichern können“, so Vogt. Sie werden im Archäologischen Landesmuseum in Zossen ausgewertet. Der Abschlussbericht soll rund ein Jahr dauern. So wurden zum Beispiel auch 3000 Jahre alte Urnengräber entdeckt.

Das Gelände gilt seit mehreren Jahren als Fundgrube für Archäologen, weil vor allem Knochen noch gut erhalten sind. Beim Fund einer etwa 5000 Jahre alten Steinzeitsiedlung am Alten Markt in diesem August waren Knochen nur noch als Verfärbungen im Sand erkennbar. „Das liegt daran, dass Trockenheit und Feuchte im Boden am Alten Markt häufiger gewechselt haben als an der Türkstraße, die niedriger und näher an der Havel liegt“, sagte Gundula Christl. Zusammen mit den Funden der Vergangenheit sei das Skelett ein weiterer Beleg für die sehr frühe Besiedlung des Potsdamer Gebiets.

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