zum Hauptinhalt

Von Michael Erbach: Nur Bowling-Center mit Gleisanschluss

Potsdams früherer Hauptbahnhof droht weiter zu verfallen / Kaufwillige kommen nicht zum Zuge

Stand:

Wo einst täglich Tausende Berufspendler unterwegs waren, herrschen seit Jahren weitgehend Leere und zunehmender Verfall: Der 1958 in Betrieb genommene frühere Hauptbahnhof von Potsdam – seit 1993 Bahnhof Pirschheide – droht immer mehr zu einem Schandfleck zu werden. Nach der Wende vom Bahnverkehr nahezu abgehängt, gibt es derzeit keinerlei konkrete Zukunftspläne für den Komplex. Die Brandenburgische Bodengesellschaft für Grundstücksverwaltung und -verwertung (BBG) hat die Bahnhöfe Pirschheide und Golm im Auftrag der Bahn der Stadt zwar zum Kauf angeboten, doch seitens der Verwaltung wurde dies abgelehnt. „Wir haben Interesse daran, dass der Bahnverkehr funktioniert, aber keine Entwicklungsabsichten für die Gebäude“, sagte gestern Regina Thielemann, Sprecherin der Stadtverwaltung.

Im Komplex selbst haben sich bereits vor 13 Jahren das Bowling-Center Märker Bowling angesiedelt sowie eine Tischlerei und ein Erotic-Shop. Uwe Koch, Inhaber des Bowling-Centers, sagte den PNN, dass er sich seit Jahren darum bemühe, einen Teil des Gebäudes zu kaufen, wie auch die anderen Nutzer Interesse am Kauf ihrer Flächen hätten. Doch die Bahn wolle den Bahnhof nur in zwei Tranchen von 4500 und 1600 Quadratmetern verkaufen. Die Fläche, die er kaufen müsse, sei zu groß und der Quadratmeterpreis von 130 Euro viel zu hoch, so Koch. Würde die Bahn mit dem Preis heruntergehen, wäre er nicht nur bereit zu kaufen, er habe auch Pläne für Flächen, die derzeit noch nicht genutzt würden. Eine bessere Nutzung des Bahnhofs durch die Bahn würde diesen Plänen Auftrieb geben.

Derzeit wird nur der untere Bahnsteig unter anderem für die Regionalbahn RB 22 von Potsdam-Hauptbahnhof über Caputh und Michendorf nach Schönefeld genutzt – dabei handelt es sich um die Streckenführung des alten „Sputnik“ aus DDR-Zeiten. Die oberen Bahnsteige, vor der Wende noch Haltepunkt für viele Fernzüge der Deutschen Reichsbahn, waren 1999 stillgelegt worden.

Der RB 22 soll eine neue Streckenführung erhalten, der Betrieb ist derzeit ausgeschrieben. Geplant ist eine neue Fahrstrecke: vom Potsdamer Hauptbahnhof nach Golm und von dort aus direkt nach Berlin-Schönefeld. Hintergrund ist der geplante bessere Anschluss des Wissenschaftsstandortes Golm an den neuen Großflughafen BBI in Schönefeld, zudem würde sich die Fahrzeit erheblich verkürzen. Ein Halt auf dem Bahnhof Pirschheide wird zwar diskutiert, ist bislang nicht festgeschrieben. So regt sich nicht nur in den Umlandgemeinden, die dann abgehängt würden, Widerstand – auch in Potsdam selbst. So kommt unter anderem scharfe Kritik von Hartmut Pirl, Geschäftsführer des Seminaris Hotels. Sollte der RB 22 nicht mehr auf dem Bahnhof Pirschheide halten, wäre dies eine „Katastrophe“. Im Umfeld des Bahnhofs gäbe es rund 1000 Hotelbetten. Hinzu kommen die vielen Urlauber auf dem nahegelegenen Zeltplatz und Tausende Anwohner aus Potsdam-West. Der Bahnhof Pirschheide werde gebraucht. „Wenn der RB 22 über Golm fährt, dann nur mit Halt auf dem Bahnhof Pirschheide“, so Pirl. Die Stadt sei aufgefordert, sich dafür einzusetzen. Dies verlangt auch der Linke-Abgeordnete Klaus-Uwe Gunold. Es müssten Wege gefunden werden, den Bahnhof „aus dem Dornröschenschlaf“ zu wecken.

Dabei wird es auch um Investitionen gehen um die oberen Bahnsteige für den neuen RB 22 wieder fit zu machen und um Maßnahmen, dem Verfall Einhalt zu gebieten. Der Chef von Märker Bowling, Uwe Koch, klagt: „Die Schäden sind enorm.“

Michael Erbach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })