
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Nur eine Legende? Predigerwitwenheim soll nicht ältestes Haus sein
Innenstadt - In nahezu allen Stadtführern wird das Predigerwitwenhaus an der Breiten Straße mit dem Baujahr 1674 als ältestes Haus Potsdams angegeben. Auch im Internetauftritt der Stadt fand sich bis vor kurzem diese Angabe.
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Innenstadt - In nahezu allen Stadtführern wird das Predigerwitwenhaus an der Breiten Straße mit dem Baujahr 1674 als ältestes Haus Potsdams angegeben. Auch im Internetauftritt der Stadt fand sich bis vor kurzem diese Angabe. Der Architekturhistoriker Thomas Sander bezweifelt sie – und sprach darüber bei einem Vortragsabend des Fördervereins des Potsdam-Museums.
Über die Ersterbauung des Witwenheims sind keine Akten erhalten, doch hat Sander den Zeitraum anhand anderer Unterlagen eingegrenzt. In dem von Johann Gregor Memhardt stammenden Stadtplan von 1672 ist das Gebäude noch nicht eingezeichnet. Andererseits zog sein Baumeister (oder vielleicht nur Bauleiter) Joachim Ernst Blesendorf 1776 in den Schwedisch-Brandenburgischen Krieg, wo er im Jahr darauf fiel. Die Erbauungszeit kann also nur zwischen diesen beiden Eckdaten liegen, was ja dem Jahr 1674 nicht unbedingt widerspricht.
Wenn Thomas Sander dem Predigerwitwenhaus streitig macht, das älteste Haus Potsdams zu sein, führt er dafür aber nicht diese Ereignisse ins Feld. Vielmehr macht er geltend, dass die Erneuerung des Witwenhauses 1826/27 durch Regierungsrat Carl Friedrich Wilhelm Redtel vom „Umbau zum Neubau“ geriet. Entgegen der ursprünglichen Absicht seien keine Bauteile des Erstbaus einbezogen worden. Ausnahme war das mit einem flachen Relief geschmückte Giebeldreieck, das auf Wunsch König Friedrich Wilhems III. wieder eingefügt wurde. Dies aber könne nicht rechtfertigen, das Predigerwitwenhaus als ältestes Gebäude Potsdams zu bezeichnen.
Sander spekulierte, warum diese Legende, für die schon im 19. Jahrhundert in den Akten keine Anhaltspunkte gefunden wurden, dennoch auch in der DDR-Zeit aufrecht erhalten wurde. Er geht davon aus, dass die Evangelische Kirche als Eigentümer mit dieser Schutzbehauptung bei der Neubebauung der Breiten Straße (damals Wilhelm-Külz-Straße) ab 1977 einen Abriss des Baudenkmals verhindern wollte. Dafür seien dann aber die beiden benachbarten, aus dem Jahr 1756 stammenden barocken Bürgerhäuser vernichtet worden.
Erhebt sich die Frage, wenn schon nicht das Predigerwitwenheim, welches Gebäude dann das älteste Potsdams ist. Für die Innenstadt könnte man den 1685 errichteten Marstall, heute Filmmuseum, nennen. Nach den Eingemeindungen 2003 kommt dieser Rang jedoch eindeutig der alten Dorfkirche in Golm zu, deren Bauteile bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen. Das Predigerwitwenhaus, in dem 16 alte Damen jeweils einen 16 Quadratmeter großen Raum bewohnten, ist 2006 von der Kirche an Bauunternehmer Holger Behnke verkauft worden, der es zum Wohnhaus ausgebaut hat. E. Hohenstein
E. Hohenstein
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