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Landeshauptstadt: Nur „ruhig“ oder schon „langweilig“?

Pro Potsdam will „Haus des Reisens“ abreißen / Architektur-Entwurf für Neubau führt zu verhaltenen bis ablehnenden Reaktionen

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Innenstadt - Die Potsdamer Innenstadt steht vor einer bedeutsamen städtebaulich-architektonischen Veränderung: Die stadteigene Pro Potsdam GmbH will das ihr gehörende neungeschossige „Haus des Reisens“ ab Mai dieses Jahres abreißen lassen. Anstelle des 1969 errichteten DDR-Plattenbaus an der Friedrich- Ebert-Straße 115/Ecke Yorckstraße plant die Pro Potsdam GmbH den Bau eines neuen fünfgeschossigen Wohn- und Geschäftshauses für 3,8 Millionen Euro. Der Baubeginn ist im August vorgesehen; die Fertigstellung im dritten Quartal des kommenden Jahres. Bereits am 23. Dezember des letzten Jahres hat die Pro Potsdam bei der Bauverwaltung der Stadt den Bauantrag gestellt, teilte Thomas Nolte, Bereichsleiter für Entwicklung und Neubau der Pro Potsdam, am Dienstagabend im Ausschuss für Stadtplanung und Bauen mit. „Wir konstruieren damit den historischen Stadtgrundriss und betten das Gebäude in die seit Jahrhunderten bestehende Straßenflucht ein“, erklärte Nolte. Der Architekt Ingo Schürmann versuche, mit einer „sehr ruhigen Fassade“ auf den historischen Kontext Rücksicht zu nehmen.

Das Vorgänger-Gebäude der jetzigen Bebauung war im Jahr 1783 als Postgebäude nach den Entwürfen des namhaften Architekten Georg Christian Unger errichtet worden. Letzter Nutzer im Erdgeschoss war die Deutsche Bank. Auch für den Neubau ist Nolte zufolge im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss „ein gediegenes Geldinstitut“ als Nutzer vorgesehen. Das mit einer detailreichen Fassade versehene Unger-Haus wurde gegen Kriegsende 1945 schwer beschädigt. Wie Unger-Experte Christian Wendland den PNN gestern sagte, war die Fassade an der Kanalseite aber trotz der Kriegsschäden am Haus noch komplett erhalten. Dessen ungeachtet wurde die Ruine 1958 abgerissen. Von den sechs lebensgroßen Plastiken, mit dem der Unger-Bau geschmückt war, seien noch drei erhalten und befinden sich nach Aussage von Saskia Hüneke (Bündnisgrüne) heute bei der Schlösserstiftung. Die Plastiken in den Neubau zu integrieren wäre „sehr spannend“, erklärte die Stadtverordnete. Wie Nolte informierte, könne das sich jetzt am „Haus des Reisens“ befindliche Kunstwerk, ein stählernes Flugschiff, am jetzigen Sparkassen-Gebäude Am Alten Markt 10 oder an die Wand eines der dortigen Hochhäuser angebracht werden. Ausschuss-Mitglied Steffen Pfrogner machte darauf aufmerksam, dass auch diese Häuser den Ergebnissen der Planungswerkstatt Potsdamer Mitte zufolge abgerissen werden sollen.

„Diese Architektur hat keine besondere Ausstrahlung“, sagte Wolfgang Cornelius (CDU) im Bauausschuss in einer ersten Reaktion auf den vorgelegten Pro Potsdam-Entwurf. Cornelius schlägt Pro Potsdam einen Architekturwettbewerb vor, „um auswählen und abwägen zu können“. Christian Seidel (SPD) sagte, er sei nicht unbedingt für eine Rekonstruktion, hätte sich aber auch eine noch modernere Architektur vorstellen können. Christian Wendland erklärte in Kenntnis des neuen Entwurfs, er erkenne „keinen Fortschritt gegenüber der DDR-Moderne“. Es sei „niederschmetternd, wie wenig sensibel dieser Entwurf die differenzierte rhythmische Gestaltung der historischen Architektur in der Nachbarschaft aufnimmt“. Es handele sich „um eine verschenkte Chance“, der vorgelegte Entwurf sei „im Grunde langweilig“. Guido Berg

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