Landeshauptstadt: Obdachlos und kriminell
Jugendgericht verhandelte zehn Straftaten in einem Zug
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Jugendgericht verhandelte zehn Straftaten in einem Zug Von Gabriele Hohenstein René L. (21) ist vom Äußeren her der Traum vieler Schwiegermütter. Die Mädchen müssten Schlange bei ihm stehen. Doch der junge Mann wirkt noch sehr kindlich, hört man ihn reden. Eine Freundin besitzt er nicht, und auch zur Mutter, bei der er aufwuchs, besteht kein Kontakt mehr. René wohnt derzeit im Obdachlosenheim am Lerchensteig – der denkbar ungeeignetste Platz für den introvertierten Potsdamer, der sich so leicht beeinflussen lässt. Damit er etwas mehr Sozialhilfe bekommt, arbeitet er vier Stunden am Tag. Jetzt musste sich der Zehnklassen-Abgänger wegen zehn Straftaten vor dem Jugendgericht verantworten. Eine Anklage wegen Sachbeschädigung wird demnächst vor dem Schöffengericht verhandelt. Im Jahr 2000 saß René L. bereits einmal wegen Diebstahls auf der Anklagebank, wurde zu 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Der Staatsanwalt wirft René L. vor, am 15. Juni 2002 im Binsenhof ein Krad samt Motorradplane gestohlen zu haben und mehrfach mit dem Kraftrad ohne Fahrerlaubnis in der Gegend herumgekutscht zu sein. Am selben Tag soll er auch in der Kunersdorfer Straße ein Motorrad mitgehen lassen haben. Ende Juli soll er in Berlin das Kennzeichen eines Krades entwendet und an das am Schlaatz geklaute angebracht haben, um dessen Herkunft zu verschleiern. In der Nacht des 7. August 2002 – so die Anklage – ließ der Langfinger an der Wilhelmgalerie einen nicht angeschlossenen Kleinroller mitgehen, im Zentrum-Ost in derselben Nacht eine schwarze Plane, mit der er das Gefährt verhüllte. Bei Edeka im Weberpark soll René L. am 11. Februar 2003 Lebensmittel im Gesamtwert von 6,96 Euro ohne Bezahlung eingesteckt haben. Hier betont der Staatsanwalt das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung. Am 23. Februar – so der letzte Anklagepunkt – habe sich der Wohnungslose trotz schriftlichen Hausverbots am Hauptbahnhof aufgehalten. „Stimmt. Ich wollte mir dort etwas zu trinken kaufen“, gibt der Angeklagte nuschelnd zu. Auch die anderen Straftaten gesteht er unumwunden ein, wenngleich es hapert, die entsprechenden Tage mit den diversen Diebstählen in Übereinstimmung zu bringen. Das Motorrad, dessen Seilschloss er am Schlaatz geknackt habe, sei wenig später am Leipziger Dreieck von einer Polizeistreife sichergestellt worden, erzählt René L. bedauernd. Da er jedoch unbändige Lust zum Fahren verspürte, habe er sich in der Kunersdorfer Straße Ersatz beschafft. „Die Suzuki am Café Alex stand einfach so rum“, meint er lässig. Da habe er sie eben gestartet. „Bei Ihnen liegt vieles im Argen“, konstatiert die Jugendrichterin und verurteilt René L. wegen Diebstahls, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Urkundenfälschung, Ladendiebstahls sowie Hausfriedensbruchs zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe wird für ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt.
Gabriele Hohenstein
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