Landeshauptstadt: Oberlinhaus: BBW-Chef fristlos gekündigt
Auch Pressesprecherin verlässt Einrichtung / Vorstand weist anonyme Anschuldigungen zurück
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Babelsberg - Nach Berichten über drohende Entlassungen im Verein Oberlinhaus (PNN berichteten) sind am vergangenen Wochenende Tatsachen geschaffen worden: Klaus Neufert, zweiter Geschäftsführer der Berufsbildungswerk im Oberlinhaus gGmbH (BBW), ist außerordentlich und fristlos gekündigt worden. Dies bestätigte Neufert gestern auf PNN-Anfrage. Außerdem ist Anja Härschel, Leiterin der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, seit gestern nicht mehr beim Oberlinhaus tätig. Von Seiten des Vorstands hieß es dazu, Härschel habe sich selbst vom Verein Oberlinhaus getrennt – aus persönlichen Gründen. Im Falle Neufert hätten wohl die „gegenseitigen Erwartungen“ nicht der Realität entsprochen.
Klaus Neufert war erst Mitte vergangenen Jahres als zweiter Geschäftsführer neben Wilhelm Eichhorn im BBW eingesetzt worden. Sein Vertrag war bis zum 31. August 2011 befristet. Gestern teilte Neufert den PNN schriftlich mit, dass sein Dienstvertrag mit Schreiben des BBW-Gesellschafters Oberlinhaus vom 1. Februar „außerordentlich und fristlos“ gekündigt worden sei – unterschrieben hätten der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Pfarrer Peter Fenner, und der Kaufmännische Vorstand, Andreas Koch. Ein Kündigungsgrund sei ihm nicht genannt worden, so Neufert weiter. An „Spekulationen und Vermutungen“ wolle er sich aber nicht beteiligen.
Doch der BBW-Geschäftsführer und Pressesprecherin Härschel sind nicht die ersten, die für die Öffentlichkeit überraschend aus dem Oberlinhaus ausscheiden. Bereits Mitte 2005 war Schwester Gisela Zschockelt, Oberin im Diakonissen-Mutterhaus, vom Vereinsvorstand betriebsbedingt gekündigt worden. Kurz darauf schied der Leiter der Oberlinklinik Harald Kruse aus – offiziell auf eigenen Wunsch. Nach einer Aufsichtsratssitzung im Oktober 2006 wurde die erst knapp ein Jahr im Oberlinhaus tätige Vorstandsvorsitzende Katharina Wiefel-Jenner beurlaubt; ihr Arbeitsverhältnis endete im Januar dieses Jahres. Nach PNN-Informationen aus Kreisen des Oberlinhauses sollen alle diese Personen angeblich Gegner der „Strategie 2013“ sein – einem vom Vereinsvorstand erarbeiteten Konzept, das die diakonische Einrichtung angeblich nach ausschließlich wirtschaftlichen Maßstäben ausrichten will. Der Vorstand des Oberlinhauses wollte sich dazu bisher nicht öffentlich äußern. Er wies gestern jedoch PNN-Informationen zurück, nach denen der Vorstand überprüft habe, wie das seit April 2004 bestehende Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers des BBW, Wilhelm Eichhorn, beendet werden könne. Es sei „nicht zutreffend“, dass die Auflösung des Arbeitsvertrages mit Eichhorn geplant sei, hieß es in einer Pressemitteilung.
Für Unruhe im Oberlinhaus sorgen aber nicht nur die Personalien: Anonym sind jüngst Dokumente in Umlauf gebracht worden, die nach Angaben der Potsdamer Staatsanwaltschaft und auch der Generalstaatsanwaltschaft gefälscht sind – und schwere Vorwürfe gegen führende Mitglieder des Vereins Oberlinhaus enthalten. So wird ihnen organisierte Kriminalität, Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorgeworfen sowie der Verdacht auf Beteiligung bei Scientology geäußert.
Dazu teilte der Vorstand des Oberlinhauses gestern in einer Presseerklärung mit, dass „der Verein Oberlinhaus ebenso wie einzelne Führungspersonen“ seit einiger Zeit „das Ziel völlig unzutreffender Behauptungen“ seien, die anonym verbreitet würden. Dafür würden „offensichtlich gefälschte Dokumente verwandt“ und anonyme Anrufe getätigt. Der Verein Oberlinhaus werde „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Unwahrheiten vorgehen“ und werde soweit von der Staatsanwaltschaft gewünscht „intensiv zur Aufklärung beitragen“, so die Erklärung.
Offiziell hat die Potsdamer Staatsanwaltschaft im Fall Oberlinhaus noch keine Ermittlungen aufgenommen. Derzeit arbeite das Landeskriminalamt (LKA) aufgrund der vorliegenden Dokumente an der Erstellung einer Anzeige, sagte Christoph Lange, stellvertretender Sprecher der Staatsanwaltschaft, gestern auf PNN-Anfrage. Gehe die Anzeige der Staatsanwaltschaft zu, werde diese entscheiden, ob sie Ermittlungen zum Verdacht der üblen Nachrede und zum Verdacht der Urkundenfälschung aufnimmt. Dabei wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft wie in jedem solchen Fall auch überprüft, ob die in den anonymen Dokumenten geäußerten Vorwürfe zutreffend sein könnten.
Bereits vor einem Jahr habe ein ähnliches Schreiben die Staatsanwaltschaft Potsdam erreicht, sagte Lange. Darin seien ebenfalls führende Vereinsmitglieder beschuldigt worden: Hier werde offenbar „mit Übereifer“ versucht, die Verantwortlichen der Einrichtung mutmaßlicher Straftaten zu überführen, so Lange.
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