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POSITION: Occasio, die „gute Gelegenheit“

Potsdam ist der richtige Standort für eine Kunsthalle Von Saskia Hüneke

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Viele Kunstinteressierte hoffen seit langem darauf und engagieren sich dafür, dass moderne Kunst in größerem Umfang in Potsdam präsentiert werden könnte. In den Kulturpolitischen Leitlinien der Stadt ist der Bedarf für eine Kunsthalle ausdrücklich herausgestellt worden. Alle guten Ansätze vom Kunstraum an der Schiffbauergasse, dem Potsdam-Museum und den Kunstvereinen bleiben in den bescheidenen Ansätzen, die die öffentlichen Mittel zulassen. Auch fand der Vorschlag der Bündnisgrünen, die Fachhochschule am Alten Markt dafür umzubauen, einst eine städtische Mehrheit, musste aber an den deutlichen Signalen des Landes scheitern, dies hätte in Potsdam keine Förderpriorität. Dennoch: Potsdam ist eine Stadt der Bildenden Künste, hochrangige historische Kunstwerke finden sich in den Schlössern, Namen wie Caravaggio, Rubens, Watteau mögen das nur andeuten. Mit dem Potsdamer Kunstsommer 1921 war die klassische Moderne von Franz Marc bis Erich Heckel, von Ludwig Kirchner bis Emil Nolde zu Gast und mit der „Intertellurischen Akademie“ des Oberdada Hannes Bader hat auch hier die Negierung des Ernsthaften stattgefunden. Ein privates fluxus+museum gibt es immerhin.

Glücklich überraschend, ist es dennoch mehrfach folgerichtig, wenn sich nun ein Kunstfreund entschließt, seine Möglichkeiten dafür einzusetzen, den Faden der Moderne und der Kunst nach 1945 bis in die Gegenwart zu ziehen und dies zusätzlich mit dem konzeptionellen Ansatz der Regionalität zu verbinden. Doch braucht auch eine private Kunsthalle ein lebendiges geistiges Umfeld und genau deshalb ist Potsdam der richtige Standort! Verschiedenste Kunstvereine und Kunstgalerien haben ihre Fachkunde gegen alle Widrigkeiten seit Jahren unter Beweis gestellt und erreichen ein großes, interessiertes Publikum.

Eng mit dem kulturpolitischen ist der baukulturelle Aspekt verbunden. Ein Abriss des Mercure wird vor allem für seine Erbauer bitter sein. Dies wurde besonders im Stadt-Forum 2011 zur Ost-Moderne, auf dem Baugeschichte und Menschengeschichte einander sehr nahe waren, deutlich. Doch nicht heutige Willkür wäre die Ursache, sondern der Stadt-Umbau der Potsdamer Mitte nach dem Zweiten Weltkrieg, der mit weiterer Zerstörung verbunden war und dessen Wirkung vor der Geschichte und – ähnlich wie in anderen Städten in West und Ost – neuen städtebaulichen Anforderungen nicht standhält. Andernorts hätte das Gebäude noch länger seinen Dienst tun können, die damalige Leistung steht damit nicht infrage.

Doch das städtebauliche Problem durch das Engagement von Prof. Plattner in naher Zukunft zu lösen, ist die „gute Gelegenheit“, die wir „beim Schopfe packen“ sollen, wie es uns die Skulptur der Occasio von der Mittelkartusche der Landtagsschlossfassade bald wieder empfehlen wird! Doch Vorsicht: Durchsichtige Gebäude gibt es nicht, eine Kunsthalle braucht Wände und ein beherrschbares Raumklima. Was wird aus der Sehnsucht vieler, den neuen Lustgarten in naher Zukunft von der großen Landtagsfassade überragt zu sehen? Wenn Prof. Plattner sagt, die Kunsthalle solle sich hier zurückhaltend einfügen, ein Architekturwettbewerb wäre denkbar, ist auch die Beantwortung dieser Frage im Blick. Das ist nachvollziehbar, war er es doch, der die Realisierung der bestehenden politischen Beschlüsse zur Landtagsfassade erst ermöglichte! Angesichts der diffizilen Fragestellung ist es nach meinem Verständnis durchaus Aufgabe der Stadt, hier in Vorbereitung auf einen eventuellen Architekturwettbewerb zunächst eine städtebauliche Studie anzustellen. Dies ist umso notwendiger, da eine Mehrheit der Stadtverordneten außerdem die Erweiterung des Standortes der „Weissen Flotte“ beschlossen hat. Wieder gibt es eine „gute Gelegenheit“: die sich aus beidem ergebende Aufgabe kann neu und ganzheitlich auf den Standort bezogen betrachtet werden. Es gilt also möglichst schnell zu untersuchen, wie sich das erforderliche Bauvolumen an der erhöhten Straßenkante der Breiten Straße so anordnen lässt, dass die optische Beziehung zwischen der Landtagsschlossfassade und dem Lustgarten wiederentstehen und vielleicht sogar qualitätvoll bereichert werden kann. Das wird nicht einfach sein, aber selten haben wir in der Politik Gelegenheit, eine Debatte aus so positivem Anlass zu führen. Packen wir sie!

Die Autorin ist Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Grüne im Potsdamer Stadtparlament

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