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Sport: Offene Meisterschaft

Trotz des 0:3 von Turbine gegen Lingor und Prinz ist die Schale noch nicht in Hessen angekommen

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Trotz des 0:3 von Turbine gegen Lingor und Prinz ist die Schale noch nicht in Hessen angekommen Von Jan Brunzlow Die Worte von Trainer Bernd Schröder verfehlten nicht ihr Ziel: „Wir sind in der zweiten Halbzeit in die alte Charakterschwäche zurück gefallen. Es gab wenig Kreativität im Mittelfeld, Ariane Hingst war überfordert und es waren zu viele Mitläufer.“ Turbine Potsdam, 13 Spiele in Folge ungeschlagen, erwachte am Sonntag aus einem Traum, in dem die Spielerinnen bereits die Meisterschale hochhielten. Mit einem Sieg gegen den Meister FFC Frankfurt wäre die Mannschaft um Bernd Schröder wahrscheinlich weiter im Erfolg getaumelt, doch die Hessinnen gewannen dank der Weltfußballerin des Jahres, Birgit Prinz, mit 3:0. Es war Turbines erste Punktspielniederlage seit dem 8. September 2002. Der FFC aus Frankfurt bleibt damit das Bundesligateam der Stunde, auch wenn sie noch immer hinter Turbine auf Rang zwei der Tabelle stehen. Eine Momentaufnahme, denn die Potsdamerinnen haben ein Spiel mehr absolviert. Und Schröders Worte bei der Pressekonferenz klangen, als sei der Traum von der Meisterschaft gar nicht mehr so wichtig: „Der Bestand des Vereins hängt vom DFB-Pokal ab“. Darin treffen die Turbienen in zwei Wochen auf Brauweiler Pulheim – die Vorbereitung darauf hat bereits vor dem Frankfurtspiel begonnen. Viola Odebrecht kam angeschlagen vom Nationalmannschaftslehrgang zurück, Leistenzerrung die Diagnose. „Sie hätte mit viel medizinischem Aufwand spielen können“, gestand Schröder ein und versprach dem DFB klärende Gespräche bezüglich der Verfahrensweise mit angeschlagenen Spielerinnen. Verheizen wollte der 61-Jährige seine Regisseurin so kurz vor der wichtigsten Saisonphase nicht. Er verzichtete daher auf Odebrecht, ebenso auf Angerer, die nach der Hüftprellung aus dem Spiel gegen China noch nicht wieder trainieren konnte und wohl auch erst wieder im Spiel um den finanziell lukrativeren DFB-Pokal eingreifen wird. Gestanden hat für Angerer Stephanie Ullrich, die seit nunmehr einem Jahr die Nummer zwei vor Lena Hohlfeld im Turbinetor ist. „Und an ihr hat es zuletzt gelegen, dass wir heute so verloren haben“, sagt Schröder. Ullrich parierte beim Stande von 0:2 gar einen Elfmeter (66.) von Renate Lingor, die nach sechswöchiger Verletzungspause erstmals wieder gegen einen Fußball trat. Bis dato hatten die frühere Potsdamerin Stephanie Weichelt (10.) und Birgit Prinz (64.) die Gäste in Führung geschossen. Dass ausgerechnet Weichelt traf, wurmte Schröder: „Sie spielte vor dreieinhalb Jahren gemeinsam mit Ullrich bei den B-Juniorinnen und wurde Deutsche Meisterin.“ Nun köpfte (!) die wegen ihrer kleinen Größe von 1,61 Metern früher „Knirpsi“ gerufene Weichelt über Ullrich hinweg ins Turbine-Tor. Chancen zum Ausgleich hatten Anja Mittag und Conny Pohlers, die jeweils frei vor Torhüterin Marleen Wissink vergaben. Ein besonderes Stück aus dem Kabinett der Kuriositäten gelang Anja Mittag nach dem 0:2 durch Prinz. Bedient von Annelie Brendel, lenkte die Turbine-Stürmerin den Ball aus zwei Meter Entfernung frei stehend noch um den rechten Pfosten des FFC Frankfurt. „Wir hätten mindestens zwei Tore machen müssen“, wetterte Schröder nach den verpassten Chancen, von denen Turbine deutlich mehr hatte als Frankfurt. Die nutzten nämlich ihre Einschussgelegenheiten vor 4079 Zuschauern im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion eiskalt, so auch beim 3:0 (76.). Nach einem kapitalen Fehler der sonst sicheren Maria Makowska umkurvte Prinz Stephanie Ullrich und schob routiniert ein. FFC-Trainerin Monika Staab lobte ihre Mannschaft und sagte, „wir haben die besseren Spielerinnen, ich glaube das hat man heute gesehen.“ Der Sieg gehe vollkommen in Ordnung. Auch Renate Lingor sah ihr Team als das bessere an: „Potsdam kam nur dann ins Spiel, wenn wir Fehler gemacht haben.“ Dem konnte Schröder zum Teil sogar beipflichten, denn alles andere als in Ordnung fand er die Leistung seines Teams: „Wir haben weder drei Punkte noch den Kampf angenommen.“ Die vorgestellte Taktik, schnelle Kombinationen über außen, sei nur zu Beginn zum Tragen gekommen. Und nach dem 0:2 verunsicherten die Turbine- Spielerinnen, von denen sich einigen schon aufzugeben schienen, mehr und mehr. „Einige Spielerinnen rannten um ihr Leben, einige nicht“, sagte der Trainer. Noch blieben seine Äußerungen anonym, doch die Enttäuschung über die Art und Weise der Niederlage war ihm anzumerken. Werbung für den Frauenfußball, das war auch ein Sinnen der Turbine-Verantwortlichen, als sie 9000 Freikarten an Schüler verschenkten, war die Partie aus Sicht der Potsdamerinnen nicht. Den Kopf in den Sand stecken wollen sie nun auch nicht. „Es war noch keine Entscheidung zu Gunsten Frankfurts“, sagte Potsdams National-Torhüterin Nadine Angerer, die nur zuschauen konnte. „Wir werden eine Trotzrekation zeigen und dennoch Deutscher Meister.“ Auch die Siegerin des Tages, Birgit Prinz, sagte nach der Partie: „Die Meisterschaft ist noch genauso offen wie vor der Partie.“ Doch sitzen nun die Frankfurterinnen, die ohne ihre verletzten Leistungsträgerinnen Steffi Jones und Nia Künzer auskamen, in der ersten Reihe. Bernd Schröder hofft indes, dass diese Leistung nicht mit in die Partie am kommenden Sonntag gegen Freiburg genommen wird Sollten sich beide Mannschaft im Gleichschritt auf den letzten Spieltag zubewegen und ausgeglichen in die Partie am 13. Juni im Frankfurter Stadion am Brentanobad gehen, kann Turbine mit einem Auswärtssieg die Meisterschale holen. Dann würde der gestern jäh unterbrochene Traum doch noch in Erfüllung gehen, und Turbine Potsdam zum ersten Mal deutscher Meister sein. Turbine Potsdam: Ullrich; Kuznik, Makowska, Liepack (66. J. Augustyniak); Hingst, Wimbersky, Brendel, N. Augustyniak; Zietz, Pohlers (46. Omilade), Mittag.

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