Landeshauptstadt: Offene Türen und leckeres Festessen
Seniorenfreizeitstätte war Heiligabend gut besucht
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Babelsberg - In der Tram nach Babelsberg gab es am Mittag des 24. Dezember kein Gedränge beim Ein- und Aussteigen und die sonst so hektisch befahrene Kreuzung am Rathaus wäre auch ohne Ampeln übersichtlich gewesen. Ein Gemüsehändler an der Karl-Liebknecht-Straße räumte die Grünkohlkisten ein, der Parfümladen mit den Rabattschildern für das Last-Minute-Geschenk hatte längst geschlossen. Ruhe. Auf der Einkaufsstraße vereinzelt Passanten, die sich leise grüßten: „Frohes Fest!“
Offen waren um diese Zeit die Türen der Seniorenfreizeitstätte. In den Fenstern des hübschen Weberhäuschens in der Karl-Liebknecht-Straße 28 strahlte warmes Licht. Seit Eröffnung der Einrichtung 1995 ist es Tradition, dass Pfarrer Stephan Flade seine Gäste begrüßt. Die Evangelische Kirchengemeinde hatte zum Weihnachtsessen eingeladen – in die wohl einzige Seniorenfreizeitstätte, die auch am Heiligen Abend ihre Türen geöffnet hatte, meinten die Gastgeber. Und es duftete, wie es Heiligabend duften sollte: nach Gänsebraten und Rotkohl. Bianca Schüssler bewirtete an der Festtafel etwa 30 Gäste. Die Leiterin der Einrichtung hatte alles fest im Griff. Mit energischer Stimme, die der zierlichen Frau kaum zuzutrauen war, lief sie flink zwischen Tisch und Küche umher. Dort hatte sie professionelle Hilfe. Ehemann Michael und die Töchter Cherleen und Kenny packten kräftig mit an. Ihre Omi aus Nauen schaute ab und zu stolz in die Küche. Während sie ihre eigene Familie um sich hatte, bedeutete diese Zusammenkunft für andere ältere aber auch jüngere sehr einsame Menschen eine Ersatzfamilie. Lene Brennert, die von den köstlichen Klößen schwärmte, fühlte sich wohl: „Meine Familie betreibt einen Blumenladen und hat jetzt viel Arbeit.“ Hektik wollte sie mit ihren 83 Jahren zu Weihnachten nicht mehr haben.
Und wie ist es danach, wenn die Feier beendet ist und die Lieder verklungen? Bianca Schüssler, die seit fünf Jahren in der Freizeitstätte arbeitet, kennt nicht nur diese besondere Stimmung an Feiertagen gut, sondern weiß auch viel über ihre Gäste. Sie nehmen sich, so erzählte Schüssler, aus dem Weberhäuschen nicht nur ein nett verpacktes Naschpaket mit nach Hause, sondern auch die Kraft, sich nicht allein zu fühlen auf dieser Welt. Bianca Schüssler freut sich, dass auch ihre elf- und 14-jährigen Töchter diesen „sozialen Blick“ haben.
Gesponsert wurde das gute Essen von Gunnar Schnabel vom Bürgershof in Klein Glienicke. „Er ist bescheiden“, sagte Pfarrer Flade, „will keine Punkte sammeln.“ Die Idee hatte der Gastwirt, als Günther Jauch bei ihm einen Werbespot drehte. Das als Miete eingenommene Geld sollte für wohltätige Zwecke eingesetzt werden. jut
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