Aus dem GERICHTSSAAL: Ohne Gurt, mit Handy am Ohr bei Rot über die Kreuzung
Zivilpolizist konnte sich nur mit Sprung in Sicherheit bringen / Angeklagter: „Ich war das nicht!“
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„Am 4. Oktober 2007 standen wir in Zivil an der Ampelkreuzung Lange Brücke/Friedrich-List-Straße, um Rotlicht-, Gurt- und Handyverstöße zu kontrollieren“, erinnerte sich ein Polizeizeuge gestern vor Gericht. Der Fahrer eines Mercedes-Transporters missachtete gleich alle drei Regeln. Darüber hinaus versuchte er, sich mit einem riskanten Wendemanöver der Feststellung seiner Personalien zu entziehen, zeigte den Ordnungshütern den Vogel. „Ich lief auf die Fahrbahn, um ihn zu stoppen. In letzter Sekunde musste ich mich allerdings mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen“, so der Beamte.
„Schauen Sie sich den Angeklagten genau an“, forderte Amtsrichter Oliver Kramm. „War das der Fahrer?“ Der Zeuge nickte. „Hundertprozentig“, bekräftigte er. „Ich sah sein Gesicht ja durch die Frontscheibe, dann noch einmal von der Seite, als er an mir vorbeifuhr. Damals trug er sein Haar allerdings nicht geflochten, da hatte er einen normalen Pferdeschwanz und einen stoppeligen Dreitagebart.“ Eine Kollegin des Polizisten bestätigte dessen Aussage. Beide hatten den vermeintlichen Verkehrsrowdy auf einer Wahllichtbild-Vorlage schon ziemlich sicher identifiziert.
„Auf diesen acht Fotos habe ich als einziger lange Haare“, monierte Frederic C.* (35), angeklagt wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung. „Ich kann nur sagen, ich war an diesem Tag nicht am Tatort.“ Die Zeugin konterte: „Ich habe nicht auf die Haare geachtet, sondern mir Ihre markanten Züge eingeprägt. Als ich Sie vorhin auf dem Flur sah, habe ich Sie sofort wiedererkannt.“ Doch so leicht gab sich der Heilpraktiker nicht geschlagen. „Es war ein Dienstag. Da habe ich immer Sprechstunde“, warf er ein. „Das lässt sich nachprüfen.“ Also müsse sich einer seiner Verwandten, Freunde und Bekannten, die ebenfalls Zugriff auf das Auto hatten, den Vorwürfen stellen. „Aber eigentlich traue ich keinem von ihnen eine derart verwerfliche Handlung zu“, ergänzte der Potsdamer. In der Akte befindet sich eine Liste der in Frage kommenden Personen, darunter auch der Verteidiger des Angeklagten. „Ich habe mir den Transporter ebenfalls einmal ausgeliehen. An dem betreffenden Tag hatte ich aber definitiv Gerichtstermine. Das kann ich belegen“, warf der Jurist scherzhaft ein. Aus dem Schneider dürften auch die Mutter von Clemens C. sowie dessen Freundin sein. Schließlich hatten die Zivilpolizisten – trotz des Pferdeschwanzes – eindeutig einen Mann am Steuer erkannt. Der Richter beschloss sämtliche Fahrzeugnutzer zu hören und unterbrach die Verhandlung bis zum 16. September. Sollte der Heilpraktiker verurteilt werden, hat er sich mit seinem Leugnen ein Eigentor geschossen. Dann muss er nämlich alle Kosten tragen. (*Name geändert.) Hoga
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