Landeshauptstadt: Ohne Neubau kein Zuzug
Stadtforum zu Perspektiven des Potsdamer Städtebaus
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Innenstadt - Das Gesicht der Baubeigeordneten Elke von Kuick-Frenz strahlte Zufriedenheit aus, als sie beim Stadtforum am Donnerstagabend mehrfach von „Platte toll“ sprach und für das Jahr 2010 eine Einwohnerzahl von 160 000 prognostizierte. Wohnungsleerstand sei kein Thema, Abriss wie in anderen Ost-Kommunen auch nicht. Selbst am ungeliebten Schlaatz mit Wohnungsmieten höher als in Berlin-Hellersdorf gibt es derzeit keinen nennenswerten Leerstand.
Demografie-Spezialist Reiner Pokorny legte beim Einwohnerwachstum sogar noch 6000 drauf, fügte allerdings warnend hinzu: „Wenn wir so weitermachen wie heute, dann werden es nie auch nur 160 000 Einwohner.“ Ohne Neubau von Wohnungen, so der Controlling-Chef, gebe es auch keinen Bevölkerungszuwachs. Laut von Kuick-Frenz fehlen vor allem Wohnungen im niedrigen und mittleren Preissegment und von der Größe her Ein- und Zweizimmerwohnungen.
Ob hier in Kürze Abhilfe zu erwarten ist, blieb beim Stadtforum im Nebel – obwohl fast alle, die dazu aussagefähig wären, anwesend waren. Horst Müller-Zinsius, Geschäftsführer von Pro Potsdam und vom Entwicklungsträger Bornstedter Feld, sprach davon, dass „gewisse planerische Grundlagen für das Bornstedter Feld gelegt“ seien. Diese beziehen sich offenbar nicht auf Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser, sondern auf den Mietwohnungsbau. Allerdings sagte Müller-Zinsius auch: „Für den Neubau fehlen die Voraussetzungen.“ Und das sind vor allem zwei: Die Stadt hat kein Geld und ein potenzieller Bauherr wie Pro Potsdam nicht die Grundstücke. Stadt und Wohngesellschaft könnten ins Geschäft kommen, wenn erstere ihre Grundstücke als Bauland kostenlos zur Verfügung stelle. So etwas hat es in der neueren Baugeschichte Potsdams, die Denkmalpfleger Jörg Limberg anhand der eindrucksvollen Beispiel des genossenschaftlichen Wohnens darstellte, allerdings noch nicht gegeben: Pro Potsdam will neu bauen, wenn es kostenlose Grundstücke bekommt und die Baukosten aus dem Verkauf von 800 Wohnungen an der Neuendorfer Straße am Stern zusammenbekommt. Stadtverordneter Hans-Jürgen Scharfenberg (Linkspartei.PDS) fragte angesichts des geplanten Deals, ob der zu erwartenden Gewinn tatsächlich größer sei als der Verlust. Müller-Zinsius konterte, dass die frühere Gewoba am Schlaatz vor sechs Jahren 800 Wohnungen verkauft habe, ohne dass bekannt geworden sei, dass der Investor „etwas Schlimmes angestellt“ habe.
Rainer Baatz, Geschäftsführer der Stadtkontor GmbH gab bekannt, dass er einen „Antrag zur sozialen Nachsorge für den Schlaatz“ vorbereitet. Nach seiner Meinung ist die Förderung für den schwierigsten Potsdamer Stadtteil auch weiterhin notwendig. Die geplante Schließung der Marie-Curie-Gesamtschule hält er aus sozialen Gründen für einen Fehler. 25 Prozent der Bewohner leben dort nicht vom eigenen Einkommen, jeder fünfte Schlaatzer ist nicht in Deutschland geboren. Der Koordinator der großen Potsdamer Wohnungsunternehmen, Carsten Hagenau, konstatierte: „Obwohl wir immer mehr investiert haben, ist das soziale Gefüge immer schlechter geworden.“ Also nicht „Platte toll“, sondern ein problematisches Wohnquartier, in dem laut Hagenau der Konfliktstau droht. Die Leute, die dort wohnen, könnten diesem Konfliktstau kaum entrinnen, weil der Potsdamer Wohnungsmarkt so angespannt sei. „Das entstandene soziale Gefüge geht nicht mehr weg“, sagte Hagenau. Und bei den Neubauplänen von Müller-Zinsius ist zu spüren, dass er für wegzugwillige Schlaatzer im Bornstedter Feld nicht den roten Teppich ausrollen möchte. Damit schließt sich der Kreis der künftigen „Perspektiven des modernen Städtebaus in Potsdam“, der offenbar gegenwärtig zwischen Bestandswahrung und Aufbruch schwankt. Die Politik hat die wohnungspolitischen Weichen bisher nicht gestellt.
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