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Landeshauptstadt: Ohne Sicherheitsgarantie

Bahnmitarbeiter versuchte 19-jährigen Rollstuhlfahrer zu retten / S-Bahn will Aufsichtspersonal einsparen

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Babelsberg – Ungeachtet des tragischen Unfalltodes des 19-jährigen Rollstuhlfahrers am S-Bahnhof Griebnitzsee hält die S-Bahn an ihren Plänen fest, in den Bahnhöfen auf Aufsichtspersonal zu verzichten. Das sagte Bahnsprecher Burkhard Ahlert den PNN gestern auf Nachfrage. Bis spätestens 2009 sollen auch die sechs Mitarbeiter in Potsdam abgezogen werden. Die wirtschaftliche Situation der Bahn erfordere diese Sparmaßnahme.

Nach Angaben der S-Bahn Berlin GmbH zahle das Unternehmen die Aufsicht momentan aus eigener Tasche, da das Land Berlin das Bahnsteigpersonal für „nicht erforderlich“ halte. Auch sei es „europaweit“ gar nicht üblich, Bahnsteige bewachen zu lassen – zumal die Aufsichtskräfte laut Ahlert überhaupt „nicht verpflichtet“ seien, auf den Steigen nach dem Rechten zu sehen. Und wenn sie dann in den nächsten Jahren wegfielen, würde laut Ahlert immer noch der Bahnführer „die Strecken auch beobachten“. Diese seien genügend einsehbar.

Als der Berliner am 8. November in seinem Rollstuhl von der Steigkante gefallen war, hatte allerdings der Bahnfahrer den Vorfall offenbar nicht mitbekommen. Der anwesende Bahn-Angestellte dagegen reagierte laut Polizei sofort: Er gab dem Zugführer der aus Berlin einfahrenden S-Bahn sofort das Signal zu einer Notbremsung. Der Fahrer stoppte – für den jungen Mann kam der Zug jedoch zu spät zum Stehen. Der Auszubildene wurde überrollt und starb gegen 17 Uhr an seinen Verletzungen. Der Bahnfahrer wird zur Zeit noch psychologisch betreut, so Ahlert. Der gehbehinderte Jugendliche hatte anscheinend gegen 16.30 Uhr in einem Bogen an einigen wartenden Passagieren vorbeifahren wollen, so die Polizei. Dabei sei das rechte Rad plötzlich über die Bahnsteigkante geraten und der Rollstuhl mit dem 19-Jährigen hinunter gefallen. Laut Polizeisprecherin Kathrin Frede habe „niemand absichtlich im Weg gestanden“. Als „ganz tragischen Unfall“, empfindet der Vorsitzende des Behindertenbeirats, Harald Haase den Vorfall. Zwar sei der Unfall „eigenverantwortlich“ geschehen, doch will sein Beirat in der nächsten Sitzung den Unfall und den geplanten Abzug des Aufsichtspersonals thematisieren. Allerdings haben sich laut Haase bisher kein Behinderter bei ihm über die Sicherheitsvorkehrungen an diesen oder anderen Bahnhöfen beschwert: „Und jahrelang ist ja auch nichts passiert“, so Haase. „Es gibt keine Sicherheitsgarantie“, betonte Bahnsprecher Ahlert: „Man muss eben aufpassen.“ Denn von allen Fahrzeugen gehe eine Gefahr aus. Eine S-Bahn, die mit einer Geschwindigkeit von rund 60 Kilometer pro Stunde fahre, habe laut Ahlert einen Bremsweg von 100 bis 120 Metern. Der Unfall im Bahnhof Griebnitzsee habe nicht mehr verhindert werden können.

Juliane Wedemeyer

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