Sport: Olympia-Gold für Emil zum Geburtstag
Potsdams Kanutin Katrin Wagner-Augustin hat seit ihrem Comeback ihre kleine Familie immer neben sich
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Katrin Wagner-Augustin kostet derzeit jeden Augenblick doppelt aus – als Mutter und als Leistungssportlerin. Die Paddlerin des KC Potsdam im OSC bereitet sich gegenwärtig im Bundesleistungszentrum Kienbaum gemeinsam mit der deutschen Rennkanu-Nationalmannschaft auf die Olympischen Spiele im August in London vor - mit Söhnchen Emil und Ehemann Lars Augustin fast ständig an ihrer Seite. „Es passt derzeit einfach alles, und das genieße ich“, gesteht die 34-Jährige, die auf dem Lake Dorney bei Eton ihre vierten Olympischen Spiele erleben wird. Gemeinsam mit ihrer kleinen Familie bewohnt sie einen Extra-Bungalow, „separat mitten im Wald mit dem Blick aus einem der beiden Zimmer direkt auf den See hier“, so Wagner-Augustin. Oma Gudrun und Opa Lutz waren auch schon da.
Was wie Urlaub anmutet – obwohl Emil morgens ab sechs beschäftigt werden will –, ist aber alles andere als Erholung für die Potsdamerin. Zu den momentan vier Trainingseinheiten pro Tag gehören neben Waldläufen, Kraftraum, Kältekammer oder Sauna auch Einer-Fahrten auf dem Liebenberger See. Wenn die Mutter für erneute Erfolge in London im Einer- und Viererkajak ackert, passt ihr Gatte auf den Sprössling auf; der Ex-Kanute hat zwölf Monate Elternzeit genommen. „Natürlich ist es komisch, wenn der Kleine nicht bei mir ist“, gesteht Wagner-Augustin. „Aber ich kann mich hundertprozentig auf Lars verlassen. Die beiden Männer verstehen sich blendend und ich bin mir sicher, dass immer alles läuft. Daher kann ich mich ganz aufs Training und auf die Wettkämpfe konzentrieren.“
Die beiden flogen mit ihr auch in die Trainingslager in Stuart/Florida und im spanischen Sevilla, ebenso kürzlich zu den Europameisterschaften nach Zagreb, wo die Potsdamerin EM-Gold mit dem Einer und dem Vierer gewann. „Die Kosten dafür müssen wir erst einmal auslegen, man kann aber bei der Sportförderung Zuwendungen für Mütter beantragten", so Katrin Wagner-Augustin, die ihr Kind noch stillt und die von Lars und Emil auch nach London begleitet wird. „Die beiden fliegen extra, und leider habe ich für sie noch keine Tickets für die Rennen bekommen“, erzählt die Erfolgspaddlerin. „Wir wollten damit so lange warten, bis ich wirklich qualifiziert bin, und nun scheint alles ausverkauft zu sein.“ Dabei hat sie doch etwas Besonderes auf dem Olympia- Revier vor: Einen Tag vor dem olympischen Finale im Vierer wird ihr Sohn ein Jahr alt, „und ich würde ihm gern eine Goldmedaille zum Geburtstag schenken“, so Katrin Wagner-Augustin.
Der deutsche Viererkajak mit den beiden Potsdamerinnen Wagner-Augustin und Franziska Weber (23 Jahre), der Leipzigerin Tina Dietze (24) und Schlagfrau Carolin Leonhardt (27) aus Mannheim gehört zu den Gold-Aspiranten auf dem Lake Dorney. Bei den EM in Zagreb bezwangen sie die Ungarinnen, die als ihre stärksten Gegner gelten. „Das hat natürlich Selbstvertrauen gegeben“, sagt Katrin Wagner-Augustin. Auch Jochen Zühlke, der Bundestrainer der Kajak-Frauen, blickt den olympischen Rennen zuversichtlich entgegen. „Die anderen buddeln auch nicht im Sandkasten, sondern spielen ordentlich mit", erklärt der Potsdamer. „Aber wir wissen, was unsere Sportlerinnen können. Daher sind wir optimistisch, dass wir die erhofften Medaillen holen." Für Wagner-Augustin haben die Rennen im Vierer, in dem sie drei ihrer bisherigen vier Olympiasiege erpaddelte, oberste Priorität". Der Einer, dessen Endlauf drei Tage später auf dem Olympiaprogramm steht, ist „das Sahnehäubchen“, wie sie selbst meint. Und auch wenn sie es nicht extra betont: Auch im Soloboot will die Potsdamerin aufs Medaillentreppchen. So wie vor vier Jahren in Peking, als sie Silber gewann.
Schließlich war olympisches Edelmetall Katrin Wagner-Augustins großer Antrieb, nach der Geburt Emils wieder ins Rennkanu zu steigen. „Die ersten drei Monate waren die Hölle“, erinnert sie sich heute. „Ich habe mich immer wieder gefragt: Warum tust du dir das an? Ich habe doch schon alles erreicht und muss niemandem mehr etwas beweisen. Aber der Lockruf des olympischen Goldes war größer. Außerdem wollte ich nach der Entbindung schnell wieder fit werden. Ich hatte 26 Kilo über meinem Normalgewicht – zum Jahreswechsel waren die dann wieder weg.“
Sie trainere jetzt weniger, dafür inensiver und effektiver. „Katrin hatte sich den Wiedereinstieg einfacher vorgestellt“, bestätigt ihr Heim- und Bundestrainer Jochen Zühlke. „Aber sie hat konsequent trainiert und sich mit großem Willen wieder in die Nationalmannschaft gekämpft. Ich bin sehr froh darüber, denn ich wollte sie als erfahrene Kanutin für den Vierer haben.“
Der vom Berliner Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) bereitgestellte neue weiße Viererkajak mit pinkfarbenen Streifen an beiden Seiten „läuft wie von allein“, meint die Potsdamerin. „Wir haben ihm den Namen Käthe gegeben – die deutsche Version von Catherine, der Frau von Queen Elisabeths Enkel Prinz William.“ Und nicht nur vom schlanken Gefährt selbst hält Wagner- Augustin viel. „Unsere Besatzung ist super“, erklärt sie. „Wir vier harmonieren nicht nur im Boot, sondern auch an Land. Die drei Mädels sind alle einfach so lieb.“ Einen großen Altersunterschied merke sie nicht. „Wir sind alle auf gleicher Augenhöhe – niemand muss hoch- oder runterschauen.“
Eine Gelassenheit, die Katrin Wagner-Augustin nicht nur mit Worten ausdrückt. Als sie beispielsweise bei den EM in Zagreb im abschließenden 5000-Meter-Rennen kurz vor Ultimo die bis dahin zweitplatzierte Eva Barrios überholt hatte, stoppte sie kurz vor der Ziellinie, um die Spanierin doch noch auf Rang zwei fahren zu lassen. „Ich bin dabei fast verrückt geworden“, gesteht Trainer Zühlke beim Schildern dieser Szene. „Schließlich hat sie so lange Führungsarbeit geleistet, sagte Katrin zur Begründung.“ Nach mittlerweile 13 Titeln und elf Silbermedaillen bei EM leistet sich die zehnfache Weltmeisterin aber solche Gesten.
Jetzt in Kienbaum ist die Sportsoldatin – die nach Olympia ein zweieinhalbjähriges Studium an der Trainerakademie Köln aufnehmen will, um später als Berufssoldatin und Trainerin möglichst in Potsdam eine Trainingsgruppe „von kleinauf auf dem Weg zum Olympiasieg zu begleiten“, wie sie sagt – nicht nur im Viererkajak die Mutter der Kompanie. „Die Mädels kommen abends öfter bei uns im Bungalow vorbei. Es ist gut für uns Mädels, mal unter uns zu sein. Dann koche ich für uns“, erzählt sie. „Unser Lieblingsessen ist derzeit Gnocchi mit Thunfisch und Ei. Und wir haben jetzt auch eine große Pfanne aus Potsdam für einen Eierkuchenabend organisiert.“
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