
© Andreas Klaer
SCHULANFANG IN POTSDAM: Olympia im Blick
125 Schüler aus ganz Deutschland wurden an der Sportschule begrüßt: Auf ihnen ruhen hohe Erwartungen.
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Potsdam-West – Der 12-jährige Paul Binternagel sitzt kerzengerade und sichtlich konzentriert auf seinem Stuhl in der Mensa der „Eliteschule des Sportes“ in der Zeppelinstraße. Nur an den Bewegungen seiner Finger ist eine gewisse Nervosität ablesbar. Binternagel ist einer der 125 Neuen an der Sportschule Potsdam, die am Sonntag begrüßt wurden. „Ich freue mich darauf“, sagt der mit 172 Zentimetern schon hoch aufgeschossene Siebtklässler. Handball ist seine Sportart. Zusammen mit 90 anderen Schülerinnen und Schülern gehört er zu denen, die nach der Primarstufe von irgendeiner anderen Schule im Land in die erste Sekundarstufe der Sportschule wechseln.
Eine andere Gruppe sind die sogenannten Quereinsteiger aus höheren Klassenstufen wie Paul Schwisow aus Neustrelitz. Sein Trainer hatte ihn angesprochen und ihm den Quereinstieg in die Sportschule empfohlen, erzählt er. Hier will er neben dem Judo-Training auch das Abitur schaffen. Freudige Erregung und große Spannung auch bei den beiden Neu-Sportschülern Pepe Schulz aus Fredersdorf und Leon Elstermann aus Lübbenau. Die zwei Handballer sind ebenfalls von ihren Trainern für die Sportschule begeistert worden. Bei vielen ihrer künftigen Klassenkameraden spielte der Trainer eine Hauptrolle bei der Schulwahl.
Der Run auf die Schule sei groß, sagt Rüdiger Ziemer, der seit 1996 Schulleiter ist. Einer der begehrten Plätze gleicht einer Delegierung: In jedem Fall müssen die Landesverbände für die entsprechende Sportart mit ihrer Unterschrift für den Schulbesuch geradestehen. Neben Judo und Handball für die Männer werden Frauenfußball, Fünfkampf, Kanurennsport, Leichtathletik, Rudern, Schwimmen und Frauenvolleyball angeboten, ab Klasse neun zudem Triathlon.
600 Stühle hatte der Schulleiter in der Mensa zur Einschulungsfeier aufstellen lassen. Doch es waren noch mehr Gäste zum feierlichen Akt gekommen. Wie Ziemer erklärte, sei die Potsdamer Sportschule diejenige, welche die meisten Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland aufnehme. Von den 400 Internatsbewohnern kommen hundert aus dem ganzen Bundesgebiet. „Bitte halten Sie den Kontakt zu ihren Kindern, auch wenn die Wege manchmal weit sind“, appellierte Ziemer an die Eltern. Und den Neulingen sagt er: „Ab heute werdet Ihr mit anderen Maßstäben gemessen als normale Menschen.“
Namen und Fotos von Sportschul-Absolventen, die derzeit an den Olympischen Spielen in London teilnehmen, untermauerten, was Ziemer meint: Die Kanurennsportler Franziska Weber, Kathrin Wagner-Augustin, Peter Kretschmer, Kurt Kuschela, Sebastian Brendel und Ronald Verch sind in London dabei. In der Leichtathletik sind es Christopher Linke, Melanie Seeger und Antje Möldner, im Rudern Daniela Schultze und beim Schwimmen Britta Steffen und Benjamin Starke. Behinderte junge Menschen haben ebenfalls die Chance, in die Sportschule aufgenommen zu werden. Ziemer zeigt sich besonders erfreut über den lernbehinderten Sportler André Lehmann, der Deutschland bei den Londoner Paralympics im Schwimmen vertreten wird.
124 Olympia-Medaillen, davon 64-mal Gold, gehen laut Schulchronik auf das Konto von Absolventen der Sportschule, die im September ihr 60-jähriges Gründungsjubiläum begeht. 80 Lehrkräfte, 30 Trainer und 30 Erzieher bilden die insgesamt 600 Jugendlichen aus. Ein „leichtes Leben“ sei es nicht, lässt der Schulleiter in seiner Einschulungsrede durchblicken. Es sei ein Leben mit Siegen und Niederlagen, das viel Disziplin abverlange.
Neben dem Sport will die Schule mit dem Abitur eine solide Grundlage für die berufliche Zukunft legen. Als Beispiel mag der Ex-Schwimmer Andreas Szigat, Olympia-Teilnehmer 1992 in Barcelona, dienen. In seinem „zweiten Leben nach dem Sport“ ist er Mitarbeiter der Mittelbrandenburgischen Sparkasse geworden. In dieser Eigenschaft überreichte er am Sonntag einen Spendenscheck über 16300 Euro für neue Trainingsprojekte.
Günter Schenke
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