Landeshauptstadt: Opfer und Überlebende aus Potsdam
Susanne Marok will 123 „Stolpersteine“ verlegen / Auschwitz-Überlebender Frohwein glaubt an die Jugend
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Innenstadt – 123 Namen stehen auf der Liste. Es sind die Namen von 123 Potsdamern, die von den Nationalsozialisten als „Juden“ ermordet worden sind. Gemeindemitglieder und Besucher in der Jüdischen Gemeinde, Schlossstraße 1, erhoben sich schweigend, als die Namensliste gestern Nachmittag verlesen wurde.
Susanne Marok recherchierte die Namen im vergangenen Jahr zusammen mit Schülern aus drei Potsdamer Klassen. Fündig wurde sie in den Deportationslisten der Nazis. Die 30-jährige Historikerin will die Potsdamer mit den vom Kölner Künstler Gunter Demnig initiierten „Stolpersteinen“ ehren. Vor den ehemaligen Wohnhäusern der Ermordeten sollen deshalb Gedenktafeln mit Namen und Lebensdaten in den Boden eingelassen werden. Angesichts der kaum fassbaren Zahl von sechs Millionen ermordeten Juden sei es heute „wichtig, dass das einzelne Schicksal wieder in den Mittelpunkt gerückt wird“, erklärt Marok die Projektidee. Wann der erste Stein verlegt werden könne, sei nicht klar.
Schon seit Jahren berichtet Willi Frohwein von seinem Schicksal. „Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, um an diese Barbarei zu erinnern“, sagte der 83-jährige Auschwitz-Überlebende am vergangenen Samstag vor dem Mahnmal am Platz der Einheit. „Was Menschen alles können, das machen nicht mal Tiere“, urteilte der hagere Weißhaarige. Zwei Jahre saß er im KZ Auschwitz, weil die Nazis ihn zum „Juden“ machten. „Leider haben zu viele die Schnauze gehalten“, resümiert Frohwein: „Das darf sich nicht wiederholen.“
Der Potsdamer, auf dessen linkem Unterarm die Nummer „122785“ tätowiert ist, fährt bundesweit in Schulen, um dort seine Geschichte zu erzählen. Die Schüler seien sehr interessiert. Beim Protest gegen Neonazis sei die Jugend eine Unterstützung. „Kinder bringen heute ihren Eltern bei, was Faschismus war“, glaubt der Potsdamer. Eine Gefährdung durch Neonazis sieht der ehemalige Polizist nicht: „Die Zahl der Leute, die das ablehnen, ist so groß.“ JaHa
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