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Aus dem GERICHTSSAAL: Ortstermin brachte Klarheit

Polizist gestand endlich Abführmittel-Diebstahl

Stand:

Fünf Tage lang verhandelte das Amtsgericht unter Vorsitz von Francois Eckardt den Diebstahl eines prompt wirkenden Abführmittels aus einer Arztpraxis in der Kurfürsten-/Ecke Hebbelstraße. Wert: Ganze 2,56 Euro. Der vermeintliche Täter Sven S.* (35) – ein Polizist, der besagte Einrichtung wegen sich häufender Einbrüche Ende November 2006 mit anderen Beamten observierte – hatte gegen einen Strafbefehl über 2400 Euro Einspruch eingelegt. Er bestritt den Vorwurf vehement. (PNN berichteten.)

Für Verwirrung sorgte die Aussage seines Kollegen Peer P.* (33) am ersten Verhandlungstag, er habe gesehen, wie der Angeklagte das Medikament in Pulverform „mit dem Aussehen einer Tütensuppe“ nach Dienstschluss demonstrativ auf den Tisch des Aufenthaltsraumes der Wache geworfen habe. Eine als Zeugin geladene Arzthelferin präsentierte nämlich eine Plastiktüte mit zwei Fläschchen, in denen sich die bereits trinkfertige Lösung befindet. Sie bekundete, in dieser Form werde das Mittel an die Patienten ausgereicht.

Der Vorsitzende wollte es genau wissen, ordnete einen Ortstermin in der Arztpraxis an. Der brachte gestern Klarheit. Die mit Wasser anzurührende „Tütensuppe“, von der noch ein Exemplar ganz unten in einem Regal schlummerte, wurde tatsächlich Ende 2006 genutzt. Inzwischen gibt es die anwenderfreundlichere Fertiglösung. Für Sven S. wurde es jetzt mehr als eng. Zurück im Gericht riet ihm der Staatsanwalt, ein Geständnis abzulegen sowie den Strafbefehl anzuerkennen. Kaum hörbar beteuerte der Polizeibeamte nun: „Ich habe es getan, tut mir leid.“ Richter Eckardt entgegnete: „Eine Entschuldigung bei dem bestohlenen Arzt und Ihrem Kollegen Peer P. wäre nicht schlecht. Gäbe es mehr von seiner Sorte, würde das Ansehen der Polizei in der Bevölkerung gestärkt.“

Als Angehöriger der Operativen Fahndungsgruppe hatte Peer P. diverse Missstände in der inzwischen aufgelösten Formation aufgedeckt und angezeigt, sich dadurch den Unmut einiger Kollegen zugezogen. Auch der Angeklagte würdigte ihn keines Blickes, als er im Zeugenstand berichtete: „Wir haben das Medikament, das vor Darmspiegelungen eingesetzt wird, in die Hand genommen und gelesen, wie es wirkt. Sven hat gesagt, er will eine Packung mitnehmen. Er hat sich vorgestellt, was passiert, wenn er das Zeug jemandem in den Kaffee schüttet.“ Er habe ihn aufgefordert, das zu unterlassen, so der Zeuge. Aber der Angeklagte sei von seiner Idee begeistert gewesen. „Da bin ich rausgegangen. Ich wollte damit nichts zu tun haben“, erzählte Peer P. Nach Dienstschluss habe Sven S. dann seinen Rucksack geöffnet und das Diebesgut herausgeholt.

Der Verteidiger ließ jede Menge Kollegen des Angeklagten aufmarschieren, die zur selben Zeit Feierabend hatten und noch kurz mit ihm zusammensaßen. Niemand hatte die „Tütensuppe“ gesehen. Allerdings hatte auch keiner besonders auf Sven S. geachtet. „Das Verfahren ist für meinen Mandanten die größte Strafe“, versicherte er gestern. Der Vorsitzende mutmaßte am Rande der Verhandlung, für die nächsten fünf bis zehn Jahre sei die Karriere des nunmehr vorbestraften Staatsdieners unterbrochen. (*Namen geändert.) Hoga

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