Landeshauptstadt: Ostfriesen testen Potsdams Restaurants Freiwillige Qualitätsprüfung für Stadtplan
Wenn Touristen nach Potsdam kommen, lassen sie ihr Geld nicht nur an den Kassen von Sanssouci, vom Filmpark Babelsberg oder auf dem Pfingstberg-Belvedere. 57 Prozent ihres gesamten Tages-Budgets geben sie in Restaurants aus.
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Wenn Touristen nach Potsdam kommen, lassen sie ihr Geld nicht nur an den Kassen von Sanssouci, vom Filmpark Babelsberg oder auf dem Pfingstberg-Belvedere. 57 Prozent ihres gesamten Tages-Budgets geben sie in Restaurants aus. Das ergab jedenfalls eine Umfrage der Freien Universität Berlin (FU). Damit sichern sie nicht zuletzt viele Arbeitsplätze, immerhin bieten Tourismus und Gastronomie in Potsdam rund 2000 Jobs. Doch gerade in dieser Branche liegen Licht und Schatten oft dicht zusammen. Ärgerliche Erlebnisse bleiben lange im Gedächtnis, sprechen sich herum und werden nicht selten verallgemeinert. Deshalb gehen die Potsdamer Gastronomen jetzt in die Offensive: Sie lassen sich von einem unabhängigen Institut testen, um mit einem Punktekatalog gute und schlechte Häuser bei der Qualität der Speisen, im Service und im Ambiente herauszufinden. Die Besten können sich ab Oktober mit einem Schild an der Tür schmücken: „Ausgezeichnet mit dem Siegel Potsdamer Gastlichkeit im Jahr 2004". Die in den nächsten Wochen durch Spitzenrestaurants, Ausflugslokale und Kneipen ziehenden Test-Esser sollen durch ihre Herkunft für Unabhängigkeit bürgen: Sie kommen von der Gorat Service Test GmbH aus Schortens. „Das liegt in Ostfriesland", erklärte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs bei der Vorstellung der Aktion. „Die Leute da sind bekannt für Augenmaß, Feingefühl und Objektivität." Diese würden in den Häusern natürlich anonym auftreten und sich genau umsehen. Immerhin müssten sie einen rund 20-seitigen Fragenkomplex beantworten. Jeweils 25 Prozent des Gesamturteils hängen von der Qualität der Speisen und Getränke und der Höflichkeit der Bedienung ab, der Rest entfällt auf Sauberkeit, Atmosphäre, Qualität der Speisekarten oder die Sauberkeit der Sanitärräume. Auch Blumen auf den Tischen – nicht aus Plastik – bringen einen Bonus. Entscheidend ist in jedem Fall das Preis-Leistungs-Verhältnis. Oberbürgermeister Jakobs hofft, dass die vom örtlichen Hotel- und Gaststättenverband ins Leben gerufene Aktion Nachfolger im ganzen Land findet. „Die Vorurteile über eine Service-Wüste Ostdeutschland sitzen eben tief und sind manchmal leider durchaus berechtigt", meinte er und zitierte gleich einen Brief eines Ehepaares aus Freising. Das Essen in dem von ihm besuchten Potsdamer Lokal sei hervorragend gewesen, aber der Service eine einzige Katastrophe. Die Kellner hätten die Gäste fortlaufend ignoriert, so dass sie sich selbst beim Bezahlen der Rechnung an die Theke wenden mussten. Beim Verlassen der Gaststätte seien ihnen noch unhöfliche Bemerkungen hinterher gerufen worden. „Das müssen wir ändern, um gerade Berliner mehr als nur einen Tag in der Stadt zu halten", wünschte sich Jakobs. Im Vorjahr zählten die Potsdamer Hotels 666 189 Übernachtungen – nur 2755 weniger als im bisherigen Rekordjahr 2001, als die Buga der Stadt viele Touristen bescherte. Noch steht allerdings nicht fest, wie viele der rund 400 Lokale sich dem Test stellen. „Wir hoffen auf rege Beteiligung", sagte Mario Kade, Chef der Kreisorganisation des Hotel- und Gaststättenverbandes. „Am Ende wollen wir schließlich einen kulinarischen Qualitätsstadtplan erstellen."
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