zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Pack’ die Alu-Rüstung ein

Familienfest mit klirrenden Schwertern und jungen Artisten: Zum achten Mal stand der Volkspark am Wochenende beim Ritterfest im Zeichen des Mittelalters. Es kamen mehr als 10 000 Besucher

Stand:

Musik ertönt. Geheimnisvolle Klänge versetzen die Zuschauer ins finstere Mittelalter. Plötzlich öffnet sich das Burgtor, mit viel Getöse stürmen vier Männer in Rüstung mit Schwertern und Streitäxten aus der Festung auf das Publikum zu. „Ich habe Angst“, flüstern Kinder und verstecken sich hinter den Rücken ihrer Eltern. Doch das müssen sie nicht – die Kämpen sind nur Schausteller auf dem mittlerweile achten Ritterfest im Volkspark. Dann noch ein kurzes Aufschrecken, als ein Ritter mit Schweinskopf als Helm seinem schweren Hammer direkt vor einem sitzenden Kind zu Boden krachen lässt – das Spektakel ist eröffnet.

„Wir können rundum zufrieden sein, hatten wieder fünfstellige Besucherzahlen“, sagt Cheforganisator Dietmar Frick vom Veranstalter „Cocolorus Budenzauber“. Besonders freut er sich, dass die Feuershow am Samstagabend – nach heftigen Regenfällen in den Vorjahren – diesmal nicht ins Wasser fiel. Ein überraschendes Highlight sei für ihn eine Show gewesen, die gar nicht im offiziellen Programm verzeichnet war: Kinder von einigen der insgesamt 200 Akteure spielten am Sonntag die Artistenshow der Profis nach. Alexander Gädke, der gerade seine Ausbildung zum Erzieher beendet hat, lobt den Nachwuchs der Marktleute: „Wir hatten die Choreografie in kürzester Zeit einstudiert.“ Die Kinder beherrschten die Tricks und Akrobatiknummern dank jahrelanger Übung nahezu perfekt. Daraus musste nur noch eine Choreografie zusammengefügt werden, meint Gädke. So wachse „die nächste Generation Cocolorus“ heran.

Kurze Zeit später tritt der Erzieher selbst in Aktion, als die Besuchermengen von den Ritterkämpfen zur Wiese strömen. Dort präsentiert er sich mit neun anderen jungen Artisten von der Schule für darstellende Künste „Etage“. Die Akrobaten ziehen mit ihren kunstvollen Verrenkungen, die vor allem Szenen aus der Natur wie den Kampf zwischen Feuer und Wasser nachempfinden, besonders die ganz jungen Zuschauer in den Bann.

Das sei ganz im Sinne des Erfinders, sagt Frick über das als Familienevent gedachte Ritterfest. Im Potsdamer Volkspark habe es sich zu einem traditionellen Höhepunkt des Frühlings entwickelt, ergänzt Olaf Jöllenbeck, im Park für das Veranstaltungsmanagement zuständig. Viele Potsdamer sind inzwischen Stammgäste – wie die vierköpfiige Familie Beßler aus Golm: Sie seien nun bereits zum sechsten Mal zum mittelalterlichen Spektakel auf das ehemalige Bundesgartenschau-Gelände gekommen, da es für die beiden Söhne, vier und sechs Jahre alt, „immer eine Attraktion ist“. Passend dazu trägt der Jüngere der beiden eine selbstgebastelte Rüstung mit Helm und Beinschienen aus Alufolie.

Noch wesentlich länger als die Beßlers begeistert sich Maik McAllister für die Waffentechnik aus der Ritterzeit. Vor 14 Jahren habe ihn und seine Freundin der „Mittelalter-Virus“ auf einem Fest wie dem im Volkspark infiziert. Jetzt steht er selbst als Experte für Bogenschießen an einem der Stände: „Der Eindruck, den uns Hollywood vermittelt, ist vollkommen falsch.“ Beim Test mit einem Langbogen zeigt McAllister, welch ungeheure Kraft zum Spannen nötig ist. „Damit trifft ein geübter Schütze eine Münze auf 40 Meter, eine Skatkarte auf 50 Meter Entfernung“ – wie er selbst am Wochenende vor mehreren Hundert Zuschauern demonstrierte. Doch bis dahin sei es ein weiter Weg: Er selbst habe sich anfangs damit begnügt, den Bogen aus sieben verschiedenen Holzarten jedes Jahr einen Zentimeter weiter zu spannen.

So viel Mühe musste sich freilich nicht jeder auf dem Ritterfest machen. Auf einem gemütlichen Rundgang zwischen Hauptbühne, Wiese und Ritterburg konnten Besucher bei einem Becher Met auch einfach den Gauklern zuschauen und der Livemusik von Mittelalter- und Folkbands lauschen.

Holger Manigk, Lukas Regeler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })