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Landeshauptstadt: Parteipresse nicht ausreichend vorhanden

Die Versorgungslage im Bezirk Potsdam in den 80er Jahren – von der DDR-Staatssicherheit dokumentiert

Stand:

DDR-Wirtschaft – das bedeutete Mangelwirtschaft, die sich in einer schlechten Versorgungslage der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen niederschlug. Dokumente der DDR-Staatssicherheit, die in der Potsdamer Außenstelle der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) gefunden und aufgearbeitet wurden, geben heute Auskunft über die tatsächliche Versorgungslage im damaligen Bezirk Potsdam in den 80er Jahren. Wir möchten unseren Lesern diesen Einblick in eine nicht allzu entfernte Vergangenheit vermitteln. Teil 5: Post- und Fernmeldewesen.

Ein Informant des Referates 5 der Abteilung VIII der DDR-Staatssicherheit berichtete am 17. April 1986 dem Ministerium für Staatssicherheit: „Am 9. April, einem Mittwoch, fiel mir auf, dass in Potsdam/Babelsberg vor den Zeitungskiosken wieder größere Schlangen standen. Wie mir gelang es auch dem größten Teil der Kunden nicht, eine neue “Wochenpost“ zu erstehen. Dies rief wieder größere Verärgerung hervor, wobei es ja kein Einzelfall ist, denn es mangelt an einer Reihe begehrter Zeitungen und Zeitschriften, wie “FF Dabei“, “Das Magazin“, “Wohnen im Grünen“, usw. und was wohl noch schlimmer ist, sogar die Bezirksparteipresse (der SED, die Red.), die “Märkische Volksstimme“, ist nicht in ausreichendem Maße für die Bevölkerung vorhanden. Von meiner 16-jährigen Tochter höre ich, dass auch das Zeitschriftenangebot für die Jugendlichen nicht ausreichend ist, so z.B. “Neues Leben“, ganz zu schweigen von der Musikzeitschrift “Melodie und Rhythmus“, deren Bedarf in keiner Weise ausreichend gedeckt ist. Ein Abonnement für diese Publikationen zu erhalten, ist ebenfalls nicht möglich. Es ist manchmal schon problematisch, dass die Jugendlichen die “Junge Welt“ ausreichend bekommen. Von den betroffenen Bürgern wird zu diesem Problem die Auffassung vertreten, dass es nicht nur am Papier- bzw. Rohstoffmangel liegen kann, da, wie schon erwähnt, genug andere Erzeugnisse gedruckt werden, für die der Bedarf gar nicht in dem Maße vorhanden ist. Es liege hier letztlich vor allem eine Fehleinschätzung des eigentlichen Bedarfs vor, dazu vielleicht auch noch Unkenntnis, oder man setzt sich einfach in gewissen Entscheidungsebenen über die eigentlichen Bedürfnisse der Bevölkerung hinweg.“ Der Mann bringt es auf den Punkt. Denn „Die Dokumente“, Abschriften der Parteitage mit ellenlangen Reden von Honnecker und Co. gab es beispielsweise immer reichlich.

Am 1. April 1987 erstattete die Bezirksdirektion Potsdam der Deutschen Post vor dem Rat des Bezirkes Potsdam zum Stand der postalischen und fernmeldemäßigen Versorgung Bericht. Da sich die Stasi für Briefpost, Telefon und Rundfunk sehr interessierte, besorgte sich die Stasi einen Durchschlag. „Zur Versorgung neuer Wohngebiete sind im vergangenen Fünfjahrplan 8 Annahmepostämter neu eingerichtet worden. Die Versorgung der Bürger mit Annahme- und Ausgabeleistungen ist und wird gesichert. Die Qualität wird durch eingeschränkte Schalterbesetzung wegen Arbeitskräfteausfalls zeitweilig gemindert. Neben den eigentlichen postalischen Leistungen werden 60 Prozent des Bargeldbedarfs der Bevölkerung für die Kreditinstitute an den Postschaltern gedeckt. Die für die Deutsche Post rationellen neuen Zustelltechnologien über Zustellfachanlagen erfassen 530 000 Einwohner des Bezirks Potsdam. Trotz der gezielten Ergebnisse konnten noch nicht alle Leistungserwartungen der Bevölkerung besonders bezüglich der Einrichtungen von Fernsprechanschlüssen und an die Qualität der Arbeit, vornehmlich im Zustelldienst, uneingeschränkt realisiert werden. Die vorhandenen Unzulänglichkeiten sind bekannt, an der Überwindung wird planmäßig durch zielgerichtete Leitungstätigkeit gearbeitet. Problemhaft wird in zunehmendem Maße die Versorgung mit Presseerzeugnissen, da die Bedürfnisse der Bevölkerung weitaus schneller steigen, als durch Auflagensteigerungen der Verlage Schritt gehalten werden kann. Im Jahre 1986 mussten allein bei 10 sehr gefragten Presseerzeugnissen 9863 Bestellungen, weil sie nicht realisiert werden konnten, zurückgegeben werden. Der Gesamtumfang nicht realisierter Bestellungen beträgt 18.240. Die Einstellung vieler Bürger führt zur ständig steigenden Zahl von 3255 Eingaben im Jahre 1986. Aufgrund von Unterbesetzung trafen die Postsendungen in einigen Stadtteilen erst am Nachmittag ein.“

In Potsdam, allen Kreisstädten, Industriezentren und im Randgebiet zur DDR-Hauptstadt sowie Berlin West bestanden die größten Versorgungsprobleme bei Telefonanschlüssen, was sich in der Konzentration von Antragstellern mit einer Wartezeit von mehr als zehn Jahren niederschlug. Die Eingaben allein an den Generalsekretär der SED, den Vorsitzenden des Staatsrates oder des Ministerrates, den Minister für Post- und Fernmeldewesen wie auch den Leiter der Bezirksdirektion bedurfte des Einsatzes „von drei qualifizierten Schreibkräften. Ihr Inhalt ist geprägt von Unverständnis und von zunehmender Aggressivität.“

Unser Autor Johannes Limberg ist in Babelsberg geboren, ist Student der neueren und neuesten Geschichte, der Politikwissenschaften und Philosophie an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Derzeit hält er sich als Erasmus-Stipendiat an der Universität Bergen in Norwegen auf. Zuvor war er Praktikant in der Potsdamer Außenstelle der BStU. Die Außenstelle wird Ende dieses Jahres geschlossen.

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