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Landeshauptstadt: Passend für den Kampfanzug

Militärhistoriker zu einer doppelten Transformation

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„Wir dürfen unsere Soldaten nicht ins offene Messer laufen lassen.“ So umreißt Dr. Bernhard Chiari vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) die Aufgabe der Einrichtung an der Potsdamer Zeppelinstraße. In einer Zeit, in der die Bundeswehr in Krisenregionen auf der ganzen Welt gefordert sei, habe die vermeintlich trockene Disziplin der Militärgeschichte eine ganz neue Verantwortung. Diese Tatsache spiegelt sich auch im Beitrag des MGFA zum Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“ wider. Mit großen internationalen Tagungen, aber auch einer Vielzahl von Publikationen, vermittelt das MGFA zwischen Wissenschaft und militärischem Handeln.

Mit mehr als 300 Teilnehmern zählt die Internationale Tagung für Militärgeschichte (ITMG) zu einer festen Größe in der Geschichte der Institution. Wegen ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit habe man sie als Wettbewerbsbeitrag ausgewählt, so Chiari. Die Tagung solle einen doppelten Transformationsprozess dokumentieren: Zum einen die neuen Aufgaben der Bundeswehr als Einsatzarmee in Krisengebieten. Zum anderen die Fortentwicklung der Militärgeschichte und ihrer Fragestellungen.

Die Tagung, die sich auch an die interessierte Öffentlichkeit wendet, bringt Wissenschaftler, Militärs und Politiker zusammen. So wird in diesem Jahr der Verteidigungsminister in Potsdam einen Festvortrag zum 50-jährigen Bestehen des MGFA halten. Die inhaltliche Ausrichtung der Tagung spiegelt den Wandlungsprozess wider, den das MGFA seit seinem Umzug von Freiburg nach Potsdam durchlaufen hat. Seit dem Jahr 1994 befindet sich das Amt auf dem Gelände der Villa Ingenheim, wo sich zuvor das Militärgeschichtliche Institut der NVA befand. Und seit es in Potsdam etabliert wurde, richtet sich der Blick der Forscher nach vorne: „Perspektiven der Militärgeschichte“ lautet das Thema der ITMG in diesem Jahr.

Wie im kommenden Jahr wird hier nach der Bedeutung von historischer Grundlagenforschung für die militärische Praxis gefragt. Nach der langjährigen Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus sind nun neue kulturwissenschaftliche Fragen, Geschlechterthemen und Öffentlichkeitsarbeit im Vordergrund. Auslandseinsätze und historische Bildungsarbeit, Militäreinsätze und die Medien sowie „weibliche Kriegshilfe“ sind Themen der diesjährigen Tagung.

Eine praktische Umsetzung dieser Neuorientierung hat das handliche Format einer Kampfanzugstasche. In seinen „Wegweisern zur Geschichte“ richtet sich das „Modul Einsatzunterstützung“ des MGFA an die Truppen im Auslandseinsatz. Diese kleinen Publikationen seien Ausdruck der neuen Anforderungen an die Militärgeschichte, so Chiari. Er leitet das Team, das innerhalb kürzester Zeit auf den Bedarf der Soldaten reagieren kann. Für den Bundeswehreinsatz im Kongo stand das Begleitbuch rechtzeitig zur Verfügung. „Wenn die Soldaten ihren Abflugtermin haben, saugen sie die Informationen förmlich auf“, berichtet Chiari.

In den kompakten Büchern informieren Spezialisten kurz und bündig über historische und kulturelle Eigenheiten der Krisenregion. Etwa zeigt eine Karte historisch bedeutende Orte des Landes. Soldaten können erfahren, auf welchem Boden sie sich bewegen und wie sie sich angemessen verhalten. So warnt die Publikation zur Demokratischen Republik Kongo auch vor übereilten Urteilen: Die Hauptstadt Kinshasa sei „mit europäischen Maßstäben nicht zu verstehen“.

Der Standort Potsdam sei für das MGFA entscheidend, sagt Chiari. So wird das MGFA noch in diesem Jahr zusammen mit der Uni Potsdam einen neuen Master-Studiengang anbieten. „Military Studies“ wird sich mit Militärgeschichte und Militärsoziologie beschäftigen. Dabei sollen nicht nur die Geschichte, sondern auch gegenwärtige Bedrohungsszenarien und Sicherheitsfragen im Vordergrund stehen. Neben den öffentlichen Konferenzen und Vorträgen macht das MGFA so einen weiteren Schritt in die Potsdamer Wissenschaftslandschaft.

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