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Landeshauptstadt: Patt kippt das Landtagsschloss

22 gegen 22 bei geheime Abstimmung über Bebauungsplan-Entwurf / Jakobs will Wiederholung

Stand:

Es hat nicht gereicht: Eine Stimme hat gestern Abend bei der Entscheidung über den Landtagsneubau am Alten Markt den Ausschlag gegeben. 22 Stadtverordnete sprachen sich in der geheimen Abstimmung für, 22 gegen den Bebauungsplan aus, der Grundlage für den Landtagsneubau am Alten Markt bildet. Bei einer Stimme mehr für die Befürworter hätte er ausgelegt, bei einer Stimme mehr bei den Nein-Sagern wohl endgültig beerdigt werden können, analysierte nach der Entscheidung ein Fraktionschef. Doch durch das Patt habe Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit den Worten, es gebe auch keine Mehrheit gegen den Landtagsneubau, einen Kunstgriff unternehmen können und eine Wiederholung der Abstimmung, „vielleicht leicht geändert“ (Jakobs), für spätestens Anfang Dezember angekündigt.

Das Projekt Stadtschloss sei nicht beendet, hieß es danach einhellig von den Beteiligten. Die Fraktionschefs Steeven Bretz (CDU) und Mike Schubert (SPD) zeigten sich dennoch bestürzt. „Die Stadtverordneten, die heute dagegen gestimmt haben, haben der Stadt einen Bärendienst erwiesen“, so Bretz. Er müsse an sich halten, um nicht ausfallend zu werden. Nun sei die Stadt in der Pflicht, sich etwas einfallen zu lassen und dem Land zu signalisieren, der Landtag in der Stadtmitte ist gewollt, sagten danach Vertreter von Stadt und Land. Bereits jetzt seien mehr als 6,5 Millionen Euro für die Bauvorbereitung ausgegeben, weitere Kosten in Millionenhöhe sollen durch die Verlegung der Straßenbahn-Gleise und die neue Trambrücke entstehen.

Sollte der Landtagsneubau am Alten Markt scheitern, droht die Stadt auf diesen Kosten sitzen zu bleiben, da die rund 8,5 Millionen Euro, die das Land für das Grundstück zahlen will, nicht zur Verfügung stünden. In der SPD spricht man daher von einer verpassten Chance für Potsdam, sollte das „Geschenk des Landes“ (Schubert) im Wert von mehr als 83 Millionen Euro auf diese Art und Weise ausgeschlagen werden.

In einer Grundsatzdebatte über historische Fassadenverläufe des Landtages, das Verfahren der Landesregierung und die Notwendigkeit eines Neubaus sagte Linkspartei.PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, es gebe dringendere Aufgaben als den Bau eines Landtagsschlosses. Er erklärte für seine Fraktion, dass sie alle den Landtags-Bebauungsplan betreffenden Anträge ablehnen werde. Damit standen – den Vertreter der Fraktion Die Andere hinzugenommen – bereits 19 Stimmen gegen den Landtagsneubau fest.

Ein zwischen Sozial- und Christdemokraten im Vorfeld abgestimmter CDU-Änderungsantrag, der der Stadt mehr Mitspracherecht im anstehenden Wettbewerbsverfahren einräumen sollte und ansonsten auf den Vorgaben des Landes aufsetzte, erhielt in der ersten Abstimmung dennoch eine 25:20-Mehrheit. In der geheimen End-Abstimmung blieb er allerdings ohne Mehrheit. Das Rätselraten, wer von seinem ersten Votum abgewichen war, war groß. Zumal Bretz und Schubert bereits Stunden vor der anstehenden Debatte versucht hatten, Mehrheiten zu organisieren. In den Fluren des Stadthauses jagte ein Gespräch das andere. Selbst um die eine Stimme der rechtsextremen DVU hat die politische Mitte geworben. Die beiden Mitglieder der Familienpartei, die bislang immer gegen den Aufbau des Stadtschlosses waren, wurden heftig umworben. „Die letzten zwei bis drei Stunden waren schlimmer als die vergangenen beiden Wochen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Familienpartei, Dieter Gohlke, nach dem Votum. Er hatte für den Änderungsantrag gestimmt. Ob er in geheimer Abstimmung seine Meinung geändert hat, ließ er offen.

Noch am Vormittag hatte die Vorlage mit Mehrheit den einberufenen Hauptausschuss gemeistert – vier Stunden später stand das gesamte Projekt auf der Kippe. Die Bündnisgrünen, die mit einem Antrag den historische Fassadenverlauf des früheren Stadtschlosses für den Landtagsneubau festlegen wollten, blieben damit allein. Das habe zu denken gegeben, sagte Saskia Hüneke danach. Daher habe sich die Fraktion in der geheimen Abstimmung enthalten. Dies sei ein Zugeständnis gewesen, um das Vorhaben nicht scheitern zu lassen, sagte die Kustodin der Schlösserstiftung danach sichtlich geknickt. CDU-Kreischef Wieland Niekisch hofft, dass es bei einer erneuten Abstimmung grünes Licht für das „Jahrhundertprojekt“ am Alten Markt gibt. Damit würde eine 16-jährige Debatte um die historische Mitte, aber auch eine 16-jährige Debatte um den Landtagsneubau beendet.

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