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Landeshauptstadt: Pauschales Geständnis

Opfer eingesperrt, Familie mit dem Tod bedroht

Stand:

Sein pauschales Geständnis in letzter Sekunde bescherte David D.* (25) gestern das milde Urteil von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung. Der mehrfach Vorbestrafte nahm die Sanktion an, wohl wissend, dass er bei einer Berufung kaum günstiger davonkommen würde. Die Zuschauer erfasste am ersten Verhandlungstag ein Frösteln, als der Staatsanwalt die Anklage verlas – und das lag nicht am heftig heruntergekühlten Gerichtssaal. David D. schwieg zunächst zum Vorwurf der versuchten räuberischen Erpressung, der Freiheitsberaubung sowie der Körperverletzung. Sein als Zeuge geladener mutmaßlicher Komplize Frank F.* scheint untergetaucht zu sein. Nachdem er beim ersten Termin am 27. Mai unentschuldigt fehlte, verhängte das Schöffengericht ein Ordnungsgeld von 300 Euro, beschloss zudem seine polizeiliche Vorführung am zweiten Prozesstag. Die klappte nicht. Auch gestern blieb der Zeugenstuhl leer. Das Ordnungsgeld erhöhte sich um 500 Euro. Zahlt der Mann nicht, muss er 16 Tage hinter Gitter. Aber dazu müsste er erst einmal gefunden werden.

Noch immer sichtlich geschockt schilderte das Opfer Benjamin B.* (25), was ihm im August vorigen Jahres widerfuhr. Als gelernter Koch hatte der Potsdamer die Idee, sich mit einem kleinen Café selbstständig zu machen. Ein geeignetes Objekt war bereits gefunden, ein Businessplan erstellt. Es fehlte nur noch das nötige Startkapital. Geschäftspartner sollte sein Kumpel aus Schülertagen und ehemaliger Kollege Frank F. werden, der angeblich in Geld schwamm. Er erbot sich, mit 100 000 Euro in das Geschäft einzusteigen. Benjamin B. vermutete, die versprochene Finanzspritze stamme aus Drogengeschäften, in die Frank F. offensichtlich verwickelt war. Er glaubte, das Geld solle durch sein Restaurant gewaschen werden. Frank F. – selbst drogensüchtig– erklärte ihm, falls er sein Angebot akzeptiere, hätten sie künftig „Schutz vor den Leuten aus Neukölln“. Doch Benjamin B. lehnte ab. Er wollte lieber einen Kredit aufnehmen, was aus seiner Sicht problemlos funktioniert hätte. Daraufhin behauptete Frank F., er sei vom Stiefvater des Benjamin B. mehrfach vergewaltigt worden. Benjamin B. müsse nun seinerseits 50 000 Euro in einen „Topf“ einzahlen. Weigere er sich, würde er seinen Bruder mit einem Kopfschuss erledigen, die Eltern töten, seine Freundin vor seinen Augen vergewaltigen lassen. Am 7. August 2007 suchte der Koch dann Frank F. in der schäbigen Villa seines Vermieters – des Angeklagten David D. – in Bornstedt auf. Er wollte ihm ein für allemal sagen, dass aus dem Geschäft nichts wird. Daraufhin sperrte David D. ihn im Dachgeschoss ein und erklärte, er lasse ihn erst wieder raus, wenn er zumindest 10 000 Euro anzahlen würde. Als Benjamin B. in seiner Panik einen Freund anrief und um Hilfe bat, wurde er vom Angeklagten brutal geschlagen. Völlig eingeschüchtert versprach der junge Mann, das Geld zu beschaffen. Als die Tür wieder geöffnet wurde, drohte der Angeklagte, falls Benjamin B. sich nicht an die Spielregeln hält, würde er die Konsequenzen spüren.

Das Erpressungsopfer zahlte nicht, wandte sich statt dessen an die Staatsanwaltschaft. David D. übte in der Folge allerdings keinen Druck mehr auf Benjamin B. aus. Das – und die durch seinen Verteidiger eingeräumten Straftaten – brachte einen erheblichen Bonus in der Strafzumessung, führte die Schöffengerichts-Vorsitzende in der Urteilsbegründung aus. (*Namen geändert.) Gabriele Hohenstein

Gabriele Hohenstein

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