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Glosse: Peepshow statt Parkeintritt

Potsdam stellt sich die Millionenfrage: Die Bürger, wenn sie demnächst nicht selbst den Rasenmäher durch Sanssouci schieben oder die Gärtner durchfüttern wollen, müssen pro Jahr den Touristen eine Mille abnehmen. Also zusätzlich.

Stand:

Tja. Müssen wir uns wohl was einfallen lassen. Wenn man lang genug darüber nachdenkt, beginnt es sogar, ein bisschen Spaß zu machen. Es kann doch nicht so schwer sein: Die Opfer sind ja schon da und Geld haben sie auch dabei. Der Trick ist, vorhandene Strukturen zu nutzen. Das sollte auch der Verwaltung schmecken.

Erster Vorschlag: Wir reaktivieren die Stadttore. Das hätte sogar was Pädagogisches zum Friedrich-Jahr. Am Stadttor wird ab sofort jedes Fremdgesicht abkassiert, von den langen Kerls. Dann kriegen die mal richtig was zu tun, nicht immer nur Spalier Stehen.

Zweiter Vorschlag: Nutzung der natürlichen Wasserlandschaft. Potsdam ist umgeben von einem Netzwerk aus Flüssen und Seen - noch ein paar Durchstiche und Kanäle - und schon ist die Stadt eine Wasserburg. Rüber kommt nur, wer dem Fährmann den Touritaler zahlt, seinen Erstgeborenen oder einen Sack Kartoffeln da lässt.

Wer sich über Land einschleichen will, den erwischt es an den Pförtnerampeln! Da muss man nur noch höflich ans Fenster klopfen, zahlt doch jeder gern in der Hoffnung, dass es heute noch Grün wird. Das Konzept funktioniert bereits super in Berlin - da wird einem nebenbei noch von einer netten Putzkolonne der Fliegendreck von der Schreibe gewischt.

Drittens: Nutzung der - bisher lediglich durch sinnentleerte Ästhetik aufgefallenen - Sichtachsen. Alles was da über die königlichen Latifundien kreucht (fliegen kann ja derzeit keiner) und sich den urbanen Mauern nähert, wird erspäht und gnadenlos in einen Bimmelbahn-Stadtrundfahrtbus verfrachtet, selbstverständlich mit einem All-Inklusive-Ticket.

Bei dieser Variante kommen – viertens – die Flutlichtmasten des Karli zum Einsatz und setzen auch den letzten Grenzverletzer gnadenlos ins Spotlicht. (gleichzeitiger Fotoservice vom Filmpark, Schnappschuss vor DDR-Grenzanlage mit Wachturm und Posten, kostet extra).

Vielleicht ist letztlich sogar im Schloss noch was zu holen: Künftig geht hier das Licht nur an, wenn der Touri einen Euro in den Kasten steckt. Wie bei der Peep-Show kann man dann für drei Minuten Friedrichs Sterbezimmer anglotzen und peng! steht man im Dunkeln und es muss nachgeladen werden.
Wir werden uns noch wundern, wie schnell so eine Million zusammen kommt. Niemals kommt uns ein Parkeintritt ins Haus! Koste es, was es wolle!  spy

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