Landeshauptstadt: Per Gongschlag zum neuen Job
Bei der 8. Kontaktmesse „HPI Connect“ umwerben IT-Unternehmen den wissenschaftlichen Nachwuchs
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Babelsberg - Das Gedränge ist gut organisiert. Beim ersten Gongschlag schieben Jennifer und Philipp sich in der großen Eingangshalle des Hasso-Plattner-Instituts zum SAP-Stand und nehmen dort auf Sitzwürfeln Platz – auf Augenhöhe mit den vier Mitarbeitern des Software-Riesen. „Wo ist der Rest unserer Gruppe?“, flüstert die 23-jährige Studentin noch ihrem Kommilitonen ins Ohr. Doch da geht es auch schon los. Viereinhalb Minuten hat SAP Zeit, um beim Speeddating um die Gunst des hoch qualifizierten Nachwuchses zu werben – und eine weitere halbe Minute, um noch einmal nachzulegen.
„Wir suchen junge begeisterte Entwickler“, sagt Janine Schneider, die in der Potsdamer Niederlassung des Waldorfer Unternehmens arbeitet. „Man kann bei uns Team-Praktika machen.“ Jennifer, mit Jacket und hochgesteckten Haaren weniger lässig gekleidet als der Großteil der 120 überwiegend männlichen Studenten, lacht: „Das habe ich schon hinter mir. Ich bin im sechsten Semester, Bachelor.“ Die SAP-Mitarbeiter erfahren, dass beide weiterstudieren und ihren Master machen wollen – und ziehen alle Register: Auch als Werkstudenten seien sie bei SAP willkommen. Als der zweite Gong die Runde beendet, ruft ein weiterer Mitarbeiter den beiden noch eilig zu: „Ich hätte ein paar Stellenausschreibungen dabei. Kommt doch später nochmal vorbei.“
„Wir haben die Studentenschaft gefragt: Wen wollt Ihr hier haben?“, zeigen sich die Veranstalter der 8. Kontaktmesse „HPI Connect“ auf dem Campus in Griebnitzsee selbstbewusst. 22 Unternehmen ergatterten einen der begehrten Plätze, darunter Softwareentwickler für den öffentlichen Verkehr, Internetfirmen, die den Online-Auftritt von Banken und Versicherungen up-to-date bringen oder Spieleentwickler, die in kleinen Teams Hits landen wollen. Manche fertigen mit 14 Leuten in der Berliner Mitte, andere werben auf Englisch damit, dass unter ihren 850 Mitarbeitern 58 Nationalitäten vertreten seien. Die einen bieten den umworbenen Kreativen an, ihre Abschlussarbeit zu betreuen, die anderen möchten sich den Nachwuchs langsam heranziehen – vom Praktikum bis hin zum festen Arbeitsvertrag. Das große Interesse hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass das Potsdamer Forschungsinstitut beim jüngsten Hochschulranking wieder auf dem Spitzenplatz landete.
Ein weiterer Gongschlag führt Jennifer Stamm und Philipp Fischbeck zu „Biotronik“, das mit weltweit 6000 Mitarbeitern unter anderem Herzschrittmacher herstellt – und dazu die Geräte mit der entsprechenden Software ausstattet. Am Stand herrscht eher Frontalunterricht: Die Mitarbeiter zeigen den kleinen flachen Schrittmacher und erzählen die Geschichte des Neuköllner Hinterhof-Start-ups: Vor 50 Jahren kamen Studenten in ihrer Wohngemeinschaft auf die Idee, implantierbare Herzschrittmacher zu entwickeln. Heute noch fertigt Biotronik als einer von weltweit vier Herstellern an der alten Neuköllner Adresse. „Wir brauchen Studis und Entwickler“, lautet die Botschaft – aber ein konkretes Jobangebot gibt es hier erst einmal nicht: „Ihr könnt gerne wiederkommen.“
Jennifer und Philipp haben allerdings andere Pläne, als möglichst schnell eine gute bezahlte Arbeit in der IT-Branche zu ergattern. Beide haben sich im Studiengang „IT-Systems-Engineering“ des HPI auf Computergrafik spezialisiert. Nach der Bachelor-Arbeit wollen sie ab Herbst noch das Masterstudium absolvieren – und erst einmal ins Ausland. Die 23-Jährige macht in Spanien ein längeres Praktikum, Philipp, 21, möchte mit dem Erasmus-Programm für ein Semester nach Schweden. „Wir sind aus Tradition auf dieser Messe“, erzählt Jennifer. „Man kann sich die Firmen anschauen und überlegen, ob man auf dem richtigen Weg ist.“ Ihren ersten Praktikumsplatz fand sie auf einer der früheren Messen am SAP-Stand. „Das Schöne beim Speeddating ist, man hat das Gefühl, dass sich die Firmen bei einem bewerben.“
In rund 15 Jahren haben HPI-Absolventen mehr als 30 Unternehmen gegründet, den Großteil in Potsdam oder Berlin. Gero Decker ist einer von ihnen. Mit einer Club-Mate-Flasche in der Hand erzählt er von „Signavio“, einem der bundesweit am schnellsten wachsenden Technologie-Start-ups mit 70 Mitarbeitern an den drei Standorten Berlin, Silicon Valley und Singapore. 20 davon kämen vom HPI. „Da weiß man, was man hat“, sagt der hier promovierte IT-Spezialist selbstbewusst. „Wir optimieren Geschäftsabläufe. Der Axel-Springer-Verlag war einer unserer ersten Kunden.“
Isabel Fannrich-Lautenschäger
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