Aus dem GERICHTSSAAL: Persönlichkeitsgestörte Diebin
Gutachter: Einsicht in Unrecht der Taten vorhanden
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Liest man das Strafregister von Regine R. * (56), könnte man glauben, sie leide an Kleptomanie. Viermal stand die Potsdamerin in der Vergangenheit wegen Diebstahls vor Gericht. Jetzt verlas der Staatsanwalt zwei weitere Anklagen. So brach die Erwerbsunfähigkeits-Rentnerin am Nachmittag des 8. Oktober vorigen Jahres zu einem wahren Beutezug auf. Kurz vor 14 Uhr entwendete sie in einem Haushaltswarengeschäft in der Brandenburger Straße einen Pfannenwender für 13,90 Euro. Eine halbe Stunde später ließ Regine R. in einem Souvenirladen gleich sieben Lesezeichen, ein Potsdam-Buch und eine Motivtasse im Wert von 29,85 Euro mitgehen. Kurz darauf steckte sie in einem Geschenkeladen Deko-Engel und diverse Leuchter im Gesamtpreis von 49,10 Euro in ihre Tasche. Am 17. November wurde die zweifache Mutter im Marktcenter beim Diebstahl eines Pullovers erwischt.
„Ich leide an Kaufsucht, war deshalb auch schon in Therapie“, erzählte die Angeklagte zu Prozessbeginn. Während der Zeit der letzten Straftaten sei es ihr psychisch sehr schlecht gegangen. Besonders die Finanzkrise mache ihr Angst, da sie Auswirkungen auf ihre Familie befürchte. „Wenn ich in so einem Zustand in Geschäfte gehe, kann ich mich nicht steuern“, bekannte sie.
Im Vorfeld der Verhandlung beauftragte das Gericht Dr. Klaus Simon, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Regine R. auf eine eventuelle Schuldunfähigkeit hin zu untersuchen. Der Gutachter kam zu dem Schluss, die Frau leide an einer schweren neurotischen Störung mit der Tendenz, Dinge angsterfüllt zu sehen. Dies führe zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit. So sei nicht auszuschließen, dass Anzeichen der Wirtschaftskrise von ihr als objektiv existenzbedrohend wahrgenommen werden. Sie fürchte auch, sich mit Leichengift zu kontaminieren, was einenWaschzwang zur Folge habe. In Zeiten, in denen ihr Leben nicht planmäßig verlaufe, verstärke sich diese Angststörung. Dann suche sie nach Mechanismen, den Zwang zu durchbrechen, greife zu Alkohol oder eben auch nach fremdem Eigentum. „Es ist ein dranghaftes Stehlen. Im Mittelpunkt steht nicht die Bereicherung, sondern die Aktion, die ihr den Druck vorübergehend nimmt“, so der psychiatrische Sachverständige. Mit starkem Willen sei es möglich, solchen zwanghaften Handlungen zu widerstehen. Die Steuerungsfähigkeit von Regine R. sei während der Taten eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben gewesen. „Die Situation ist vergleichbar mit einem Alkoholiker, der die Abstinenz für sich klar kriegen muss.“
„Sie müssen lernen, mit ihrer Störung umzugehen. Einen Freifahrtschein haben sie heute nicht bekommen “, wandte sich Amtsrichterin Kerstin Nitsche an die Angeklagte. Dann setzte sie die verhängte Geldstrafe von 1600 Euro für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung aus. (*Name geändert.) Hoga
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