Guantanamo in Babelsberg: Pfeil nach Mekka in der Einzelzelle
Für sein Drehbuch gab es schon viel Lob und einen begehrten Preis. Beim Film muss sich das nicht wiederholen. Davon geht Regisseur Stefan Schaller aus. Zu umstritten ist das Thema: Terrorverdächtige und das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba.
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Neonröhren werfen ein trübes Licht auf den grau gestrichenen Metallboden. Neun Zellen zur Rechten, neun zur Linken, mit Maschendraht voneinander getrennt. In jeder eine Pritsche mit Gummimatratze, ein Loch in der Wand dient als Abort. Das Perfideste aber ist ein kleiner schwarzer Pfeil in jeder Zelle. Er weist nach Mekka.
„Das ist die einzige Freiheit, die die Gefangenen hatten“, sagt Julian R. Wagner. „Sie durften beten.“ Wagner ist Szenenbildner und hat in den Babelsberger Filmstudios das Innenleben des US-Gefangenenlagers Guantanamo nachgebaut, so original wie möglich. Die Potsdamer Produktionsfirma Teamworx verfilmt hier derzeit unter der Regie von Stefan Schaller die Geschichte des in Bremen geborenen Türken Murat Kurnaz, der von 2001 bis 2006 in Guantanamo inhaftiert war.
Es ist Dienstag, der 30. von 41 Drehtagen. „Fünf Jahre“, so der Arbeitstitel, beginnt mit der Vorgeschichte in Bremen. Der Film schildert, wie Kurnaz, der in einer Bremer Diskothek arbeitet, seinen Weg zum Glauben an den Islam findet. Er erzählt, wie Kurnaz mit einem Freund nach Pakistan reist, um eine Koranschule zu besuchen, dort grundlos gefangen genommen und schließlich nach Guantanamo gebracht wird.
Sascha Alexander Gersak läuft mit orangefarbener Gefangenenkluft und struppigem Bart durch das Set. Dem Schauspieler, der unter anderem in diversen „Tatort“-Krimis von sich reden machte, verlangt die Rolle des Murat Kurnaz alles ab. „Ich komme an meine Grenzen“, gibt er zu. Die Kulissen tragen dazu bei. In ihrer Authentizität wirken sie bedrückend. Der gleißend helle Verhörraum etwa, mit seinem langen, polierten Stahltisch. In ihm spielt fast ein Drittel des Films. Hier wird Kurnaz von Verhörspezialist Gail Holford tyrannisiert. Der Engländer Ben Miles, der Holford verkörpert, hat bereits einige Babelsberg-Erfahrung: Er drehte hier „V For Vendetta“ und „Speed Racer“ mit den Wachowski-Geschwistern. In England wisse man kaum etwas über den Fall Kurnaz, sagt Miles. Als er das Buch gelesen habe, sei er „schockiert“ gewesen. Der Film trage hoffentlich dazu bei, die unmenschlichen Haftbedingungen in Guantanamo ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Das hofft auch Christoph Fisser. Der Studio-Babelsberg-Vorstand schwärmt von einem der „besten deutschen Drehbücher, die ich seit Langem in der Hand hatte“. Dies habe die Studios dazu bewogen, neben Arte, HR, SWR, BR, SR, Radio Bremen und Cine-Plus als Koproduzent einzusteigen. „Fünf Jahre“ soll im Herbst 2012 in die Kinos kommen. Über die Kosten mag niemand reden, es sei ein „Low-Budget-Film“, heißt es lapidar.
Doch haben die Studios parallel ein finanzielles Schwergewicht im Haus: „Der Wolkenatlas“, die mit 100 Millionen Euro teuerste deutsche Produktion aller Zeiten. Für Produzent Stefan Arndts Firma X-Filme tummeln sich mit Tom Hanks, Hugh Grant und Halle Berry Hollywoods Topstars in Babelsberg. Die Verfilmung des Bestsellers von David Mitchell läuft ebenfalls im Herbst 2012 an.
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