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Landeshauptstadt: Pflegetücher im Kinderwagen, Mückenspray im Rucksack versteckt

Ladendiebe im beschleunigten Verfahren vor dem Amtsgericht

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Ladendiebe im beschleunigten Verfahren vor dem Amtsgericht Von Gabriele Hohenstein Alles sei nur ein Versehen gewesen, beteuert Karina A. * (42) vor Gericht. Ihr kleiner Sohn sei am 11. Juni wie wild durch die Schlecker-Filiale gesaust. Sie habe alle Hände voll zu tun gehabt, den Wirbelwind einzufangen, bevor er sämtliche Regale ausräume. Völlig gestresst, so die zweifache Mutter, habe sie die dringend benötigten Pflegetücher versehentlich in den Korb des Kinderwagens gelegt. „Ich habe sie aber nicht etwa versteckt“, beteuert die wegen Diebstahls Angeklagte. An der Kasse habe sie andere Artikel bezahlt, dabei die Tücher im Wert von drei Euro schlichtweg vergessen. Detektivin Kerstin K. (38) beobachtete Mutter und Kind über den Monitor. „Der Kleine war ganz schön nervig“, schätzt die Frau ein. „Er ist wie aufgezogen durch den Laden getobt.“ Dennoch – so die als Zeugin im beschleunigten Verfahren Geladene – glaube sie, Karina A. habe sich die Kosten für die Pflegetücher sparen wollen. „Sie deponierte sie im Kinderwagenkorb und deckte einen Pullover darüber. Die Ware, die sie bezahlte, behielt sie von Anfang an in der Hand.“ Sie habe genügend Geld für die Feucht-Tücher besessen, entgegnet die wegen Schwarzfahrens in drei Fällen Vorbelastete erregt. Amtsrichter Wolfgang Peters lässt Gnade vor Recht ergehen. „Die Variante, die die Angeklagte präsentiert hat, ist denkbar. Allerdings ist auch die Version der Detektivin nicht von der Hand zu weisen.“ Karina A. wird freigesprochen. Renate C. * (34) soll am 6. Mai dieses Jahres bei Schlecker Mückenspray für 24 Euro entwendet haben. Weinend sitzt die Erwerbsunfähigkeits-Rentnerin auf der Anklagebank, übrigens nicht zum ersten Mal. Ein Verfahren wegen Diebstahls wurde in der Vergangenheit gegen Zahlung einer Geldbuße von 200 Euro eingestellt. „Geben Sie mir noch eine letzte Chance“, bitte die Frau schluchzend. „Ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe.“ Weil sie unter einer Mückenallergie leide, sei sie auf wirksame Mittel, die die Plagegeister vernichten, angewiesen. Doch die seien nicht billig“, berichtet die gelernte Hotelfachfrau. Da sie zu 80 Prozent schwerbehindert und stark in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sei, gehe sie kaum noch aus dem Haus. „Die Gefahr, dass ich wieder etwas ohne zu bezahlen in den Rucksack stecke, ist also kaum vorhanden“, bittet sie um gut Wetter. Und sie hat Glück. Die Juristen zeigen sich beeindruckt vom schweren Schicksal der Behinderten, können sich eine Verwarnung mit Strafvorbehalt vorstellen. „Lassen Sie in Zukunft einfach die Finger von Sachen, die Sie sich nicht leisten können“, rät der Staatsanwalt. Der Vorsitzende erklärt: „Eigentlich gibt es keine Geldstrafe auf Bewährung, wenn man schon einmal aufgefallen ist. Da Sie aber beim ersten Mal nicht verurteilt wurden, liegen die Dinge anders.“ Macht Renate C. in den nächsten zwei Jahren keine langen Finger, braucht sie eine angedrohte Sanktion von 300 Euro nicht zu begleichen. ( *Namen geändert.)

Gabriele Hohenstein

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