Landeshauptstadt: Pforte zu einem Ort der Unmenschlichkeit
Gedenkstele in der Großbeerenstraße erinnert an Zwangsarbeiterlager der Firma Frieseke und Höpfner
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Babelsberg - Heute ist es das „Wirtshaus Kartoffelpub“, zwischen 1940 und 1945 war es die Pforte zu einem Ort der Unmenschlichkeit. Eine schlichte mannshohe Stele aus Metall – eingebracht in den Gehweg vor dem einstigen Wachgebäude – erinnert seit gestern daran, dass auf dem ehemaligen Gelände der Firma Frieseke und Höpfner Hunderte von Zwangsarbeitern beschäftigt waren.
Das Spezialwerk für Flugzeugtechnik sei eines der ersten Unternehmen der deutschen Kriegsindustrie gewesen, die Arbeitskräfte aus den von Nazideutschland überfallenen und besetzten Gebieten rekrutierten, sagte die Historikerin Dr. Almuth Püschel bei der Enthüllung der Gedenkstele. Frieseke und Höpfner, deren Hauptauftraggeber das Reichsluftfahrtministerium war, hätten auf ihrem Areal Baracken für insgesamt 800 Insassen errichten lassen, die ihre Frondienste im Spezialwerk oder bei Orenstein und Koppel verrichten mussten. Ein auf der Stele abgedruckter Lageplan aus den 40er Jahren verdeutlicht dies. Die Großbeerenstraße stehe nun exemplarisch für einen von insgesamt 70 Orten in Potsdam und Babelsberg, an denen Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen eingesetzt gewesen seien.
Das Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal, das in einem Schauprozess nach Ende des Zweiten Weltkriegs über die Vergehen der national-sozialistischen Führungsspitze richtete, habe die Zwangsarbeit als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ klassifiziert, sagte die Historikerin. Und dies sei vor den Augen aller und unter Beteiligung der deutschen Bevölkerung geschehen. Es hätten davon nicht nur die großen Konzerne, sondern auch kleine Handwerksbetriebe, die öffentliche Verwaltung, das Gesundheitswesen, kirchliche Einrichtungen oder das Militär profitiert, sagte Almuth Püschel.
Die in deutscher und englischer Sprache verfasste Gedenktafel solle nur der Anfang einer ganzen Reihe von Orten sein, an denen das Erinnern sichtbar gemacht werde, sagte Potsdams Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer in Vertretung des Oberbürgermeisters. Den Großteil der finanziellen Mittel für das Herstellen und Aufstellen der Stele hatte die Linkspartei beigetragen. Auf einem ihrer Kreisparteitage hatte sie 400 Euro gesammelt, 200 Euro gaben Stadtverordnete und Stadt dazu. Der Beschluss, in dem die Stadtverordneten das Errichten von Gedenkstelen für Zwangsarbeiter im Stadtraum befürworteten, liege aber schon einige Jahre zurück, sagte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Bisher sei das Vorhaben immer an finanziellen Mitteln gescheitert, weshalb seine Partei zu der Spendenmaßnahme griff. Weitere mögliche Stelenorte seien laut Karin Schröter (Die Linke) der Kaiserbahnhof oder auch das Universitätsgelände. Voraussetzung, so Schröter, sei aber, dass die jeweiligen Eigentümer der Plätze mit dem Aufstellen einer Gedenktafel einverstanden seien. Nicola Klusemann
Nicola Klusemann
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