DASwar’s: Pläne für eine Wahlperiode
Am 23. September saß ich am frühen Morgen vor meinem Frühstückscafé und studierte in der Zeitung das Potsdamer Bundestagswahlresultat.
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Am 23. September saß ich am frühen Morgen vor meinem Frühstückscafé und studierte in der Zeitung das Potsdamer Bundestagswahlresultat. Die Sonne schien, der Kaffee roch frisch, ebenso die Zeitung. Am anderen Tisch saß ein Mann gleichfalls bei der Morgenlektüre, bis er von einem Bekannten mit den Worten begrüßt wurde: „Hast du das gemacht?“ Er antwortete mit einem energischen Kopfschütteln und meinte, dass er nichts damit zu tun habe mit dem was in der Zeitung steht. Ja, dachte ich: Am Tag danach ist es niemand gewesen. Es ist wie mit der „Bild“: Keiner liest sie, aber jeder weiß, was drin steht. Keiner hat das RTL-Dschungelcamp gesehen, aber jeder wusste, was im Busch los ist.
Ich oute mich jetzt mal. Ich war bei dieser komischen Wahl zwischen Raute und Stinkefinger äußerst wankelmütig. Erst kurz vor der Wahlkabine hatte ich mich entschieden. Danach habe ich mich gefragt, ab wann man eigentlich Stammwähler ist. Ich werde jetzt bald 44 und meine Biografie als Wähler ist recht wechselhaft. Wird man mit einem bestimmten Alter festgelegt sein? So wie man sich irgendwann mal entschieden hat, an einem Ort zu bleiben, zu heiraten, ab der Ü40 den Fußballverein nicht mehr zu wechseln und wieder ein Telefon mit Tasten statt mit Touchscreen zu benutzen? Wird das eigene Wahlverhalten irgendwann so sicher sein, wie die Brandenburger Pilgerkarawane in Berliner Einkaufstempel am Reformationstag?
Ich hab keine Ahnung! Ich habe darüber sinniert, ob es gut oder schlecht ist, mit fast Mitte vierzig unsicher zu sein, wen man wählt. Eigenartigerweise mischten sich in diesen Gedanken gleichzeitig Dinge, von denen ich mir in den vergangenen vier Jahren immer wieder gesagt habe, dass ich sie machen will: nächstes Jahr den Berlin-Marathon laufen, bei einem Berglauf mitmachen, mal wieder „Es war einmal in Amerika“ gucken, im September nach Formentera fliegen, Weihnachten irgendwo im Süden sein, eine Reisereportage über Kuba schreiben, Brot selbst backen. Wenn ich im Radio ein Lied höre, das mir gefällt, denke ich: An dem nächsten verregneten Sonntag stellst du dir eine CD mit deinen Lieblingshits zusammen.
Offenbar hat es seit Ewigkeiten an keinem Sonntag mehr geregnet, denn die CD gibt es bislang nicht. Und den Berlin-Marathon bin ich ein einziges Mal 1991 gelaufen. Aber ich gebe mir jetzt eine Wahlperiode Zeit, um die Liste abzuarbeiten. Ich vermute, es werden noch Dinge hinzukommen, von denen ich im Moment noch nichts ahne. Ich bin gespannt, was ich schaffe. Und ich würde mich freuen, wenn ich im Herbst 2017 – mit 48 Jahren – nicht mehr unsicher bin und beim Frühstück mit Überzeugung sagen kann, dass ich so gewählt habe, wie es in der Zeitung steht.
Peter Könnicke ist freier Journalist und arbeitet als Lauf- und Fitnesstrainer.
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