Homepage: „Plastic Fantastic“
Sir Richard Friend hielt den Festvortrag beim 12. Potsdamer Leibniz-Kolleg
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Wie erklärt man dem Publikum eine Zukunftstechnologie, die so komplex ist, dass nicht einmal die Wissenschaftler sie vollständig verstehen. Dieser Aufgabe sah sich Sir Richard Friend als Festredner des diesjährigen Leibniz-Kollegs unlängst in der Universität Potsdam gegenüber. Mit Hilfe von Pflanzen, Bleistiften und der New York Times gelang es dem Professor aus Cambridge erstaunlich gut, seine Zuhörer zu fesseln.
„Plastic Fantastic“ – schon der Titel des Vortrags ließ erahnen, dass es Engländer meist sehr viel besser verstehen, komplexe Dinge einfach auf den Punkt zu bringen. Ein deutscher Kollege hätte wahrscheinlich von der Elektroluminiszenz halbleitender Polymere gesprochen. Das ist auch Friends Spezialgebiet, immerhin hat er die entscheidenden Forschungserkenntnisse dafür selbst geliefert. Friend aber ist bemüht, alle an seinen Visionen teilhaben zu lassen. „Ich werde versuchen, Ihnen einen Vortrag auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu liefern. Einiges wird sich aber dennoch wie Science Fiction anhören“, versicherte er gleich zu Beginn.
Mit dem neuen Feld leuchtender und datenspeichernder Polymere, also Plastik, lässt sich in der Tat einiges Fantastisches erdenken – und bereits heute herstellen: Biegsame Bildschirme in nie gesehener Bildqualität, Papier, das wie ein Bildschirm wechselnde Informationen anzeigt, sparsame und leicht zu produzierende Solarzellen, Computerchips, die einfach mit einem Tintenstrahldrucker hergestellt werden.
„Wenn Sie eine Polymerschicht zwischen zwei Metallschichten legen und Strom anschließen, dann leuchtet das Polymer“, erklärt Friend. Um die Vorteile dieser Erfindung zu verdeutlichen wirft er zwei Bilder nebeneinander an die Wand: eine Silikonscheibe, aus der Computerchips geschnitten werden, und die New York Times. Beides sind moderne Informationsträger. Beide haben Stärken und Schwächen. „Das Problem bei der Produktion von Chips auf Silikonbasis ist, dass Weiterentwicklungen immer teurer werden“, erklärt Friend. Man braucht aufwendige Reinraumlabore. Das Fräsen der Chips in die Silikonplatte ist aufwendig. Zudem lässt sich die Vorlage nicht so einfach ändern. „Eine solche Fabrik zu bauen, verschlingt heute Milliarden Euro, die sich nur noch wenige Unternehmen leisten können“, so Friend. Anders die Zeitung. Sie wird auf relativ simple Weise gedruckt. „Und die Informationen können sie mindestens täglich ändern. Sonst wäre eine Zeitung auch kaum zu verkaufen“, erläutert Friend weiter.
Die Plastik-Logik, die Friend mit seiner gleichnamigen Firma verfolgt, verbindet beide Technologien. Chips werden nicht mehr aus Silikon gewonnen, sondern einfach auf Polymerschichten gedruckt – mit einem Tintenstrahldrucker. Das funktioniert nach dem gleichen Prinzip, wie die leichten Polymer-Plastikscheiben.
Friend greift zu einem einfachen Beispiel: „Nehmen sie das Schwarz in ihrem Bleistift.“ Das Graphit darin besteht aus Molekularketten, wie sie sich auch in den Polymeren befinden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie einige leicht zu lösende Elektronen haben. Diese können mithilfe von Strom bewegt werden. Wo sie neue Verbindungen bilden, entsteht ein Leuchten. Je nachdem, welche Stoffe in dem Polymer enthalten sind, nimmt das menschliche Auge unterschiedliche Farben war.
Das ist an sich schon eine tolle Entdeckung. Auch die Nutzung zur Datenverarbeitung ist revolutionär. Friend hat aber noch eine weitere Anwendungsmöglichkeit entdeckt: Solarzellen. „Wenn wir aus Strom Licht machen können, müssten wir auch aus Licht Strom gewinnen können“, erklärt Friend. Pflanzen, die Sonnenlicht in ihre grüne Farbe umwandeln, schafften dies schließlich auch. „Das klingt einfach, ist in der Praxis aber leider sehr kompliziert.“ Dennoch haben Forscher bereits eine Photovoltaikzelle ohne Silikon entwickelt. „Wir kommen im Moment auf eine Effizienz von fünf Prozent. Mit Silikon bringt man es derzeit auf zehn Prozent. Ich bin sicher, wir können noch wesentlich mehr erreichen“, so Friend.
Alles Zukunftsmusik? „Ich weiß auch nicht, was passieren wird, aber ich bin sehr optimistisch“, erklärt Friend. Die Weichen für die Zukunft hat er schon gestellt. In Dresden lässt er gerade eine Fabrik bauen, die Feldeffizienz-Transistoren auf Basis der neuen Polymer-Technik produzieren soll. „Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr so weit sind, mit der Massenproduktion zu beginnen.“
Auch in Potsdam hat Friends Forschung bereits Spuren hinterlassen. Die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Uni hat einen neuen Profilbereich eingerichtet, der funktionale weiche Materie untersuchen soll.
Bodo Baumert
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