Landeshauptstadt: Pleite im Osten
Die Zahl der Zwangsversteigerungen in Potsdam steigt – vor allem Mietobjekte sind betroffen
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Die Zahl der Zwangsversteigerungen in Potsdam steigt – vor allem Mietobjekte sind betroffen Am Amtsgericht Potsdam ist die Zahl der Zwangsversteigerungen innerhalb des vergangenen Jahres um rund 40 Prozent angestiegen. Während im Jahr 2003 noch 650 Immobilien zwangsversteigert wurden, waren es 2004 schon 955. Hauptsächlich betroffen seien Investoren aus den alten Bundesländern, sagt Heinrich Kraft, Rechtspfleger beim Amtsgericht Potsdam. Über 40 Prozent der von ihm im vergangenen Jahr betreuten Fälle, beträfen Wohnungen und Mehrfamilienhäuser, deren ehemaligen Besitzer fast immer in Westdeutschland lebten. Nach der Wiedervereinigung hätten viele Mietobjekte in den neuen Bundesländern als „Steuersparmodell“ gekauft, erklärt der Potsdamer Insolvenzverwalter Justus Schneidewind den großen Anteil an westdeutschen Kleininvestoren. „Wenn ein Deutscher hört “Steuern sparen“, verliert er eben den Verstand!“ 1990 war der Osten der Republik zum Fördergebiet erklärt worden, um Investoren zu locken. Das Fördergebietsgesetz regelte auch die steuerlichen Sonderabschreibungen für Baumaßnahmen in diesen Gebieten. „Am Anfang konnte man sogar 50 Prozent der Gebäudeerrichtungskosten sofort abschreiben“, erinnert sich Schneidewind. Wenn also jemand ein Gebäude für eine Million Mark gekauft und saniert hatte, konnte er unmittelbar 500 000 Mark von seinen Steuern absetzen. Außerdem sollten die Mieteinnahmen ihrer Objekten vielen der damaligen Immobilienkäufer als Alterversorgung dienen. Aber warum kommen immer mehr dieser Wohnungen unter den Hammer? Schuld an den Zwangsversteigerungen sei meist ein falscher Finanzierungsplan, meint Schneidewind. Die Bankkredite für die Häuser und Wohnungen würden auf „viel zu hohen Mieten“ aufbauen. Viele der Investoren und auch die Banken hätten mit Staffelmieten gerechnet: Jedes Jahr sollten sich die Mieten im aufblühenden Osten teilweise um fünf Prozent erhöhen, so die Planung. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wegen des großen Angebots an Wohnraum in Potsdam und Umgebung, könnten die Eigentümer bei weitem nicht die Mieten verlangen, die für die Tilgung der Kredite notwendig wären. Erschwerend käme hinzu, dass das Fördergebietsgesetz nur bis 1998 Baumaßnahmen steuerlich so stark begünstigte und die hohen Abschreibungen nun wegfielen. Auch das könnte laut Schneidewind ein Grund für die zunehmenden Zwangsversteigerunen sein. Und der Trend scheint anzuhalten. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden 213 Objekte zwangsversteigert. Juliane Wedemeyer
Juliane Wedemeyer
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