Landeshauptstadt: PNN fanden Akten wieder
Dokumente der Wendezeit aus Stadtarchiv „verschwunden“
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Dokumente der Wendezeit aus Stadtarchiv „verschwunden“ Von Erhart Hohenstein Auf Anfrage des Stadtverordneten Manfred Kruczek, Fraktion BürgerBündnis, nach dem Verbleib der Protokolle über die Potsdamer „Rathausgespräche“ Ende 1989 und die Tätigkeit des von Dezember 1989 bis Mai 1990 bestehenden Bürgerkomitees „Rat der Volkskontrolleure“ erklärte die zuständige Beigeordnete Elona Müller, sie seien im Stadtarchiv nicht mehr vorhanden. Sie bedauere dies und werde sich für eine Wiederbeschaffung einsetzen. Auf PNN-Anfrage bestätigte dies Angelika Schulz, Leiterin des Stadtarchivs. Überraschend fügte sie hinzu, die Akten seien dem Archiv zwar im Mai 1990 übergeben, dann aber „vom Bürgerkomitee wieder abgeholt“ worden. Ob über beide Vorgänge die vorgeschriebenen Übergabeprotokolle angefertigt wurden, wusste sie nicht. Kruczek bezweifelte diese Darstellung. Zum einen sei im abschließenden Rechenschaftsbericht des Komitees von Mai 1990 die Übergabe an das Stadtarchiv festgehalten, zum anderen wurden sie dort einen Panzerschrank eingeschlossen. Das „Bürgerkomitee“, das sie hätte zurückfordern können, habe es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben. Manfred Kruczek, der im Rat der Volkskontrolleure mitgewirkt hatte, bat ehemalige Mitglieder und andere Potsdamer, die Aktensammlung wieder aufbauen zu helfen. Das ist nun nicht mehr nötig. Den PNN gelang es gestern innerhalb kurzer Zeit, den Verbleib der Schriftstücke zu recherchieren. Sie befinden sich in der Potsdamer Außenstelle für die Unterlagen der Staatssicherheit. Wie deren Leiterin Gisela Rüdiger auf Anfrage mitteilte, wurden sie ihr von dem kürzlich verstorbenen Bürgerrechtler Rudolf Tschäpe, der sie ausgeliehen hatte, 2002 zur weiteren Auswertung übergeben. Sie sicherte zu, die Akten in Kürze dorthin zurückzugeben. Bei einem Verlust der Akten wären wichtige Dokumente der Wende- und Nachwendezeit verloren gegangen. In den Rathausgesprächen hatte sich erstmals die SED- und Stadtobrigkeit mit Vertretern des Neuen Forums und der evangelischen Kirche an einen Tisch gesetzt, um über eine Demokratisierung des politischen Lebens in Potsdam zu debattieren. Der Rat der Volkskontrolleure, der darüber hinaus die neuen politischen Parteien und Vereinigungen sowie Vertreter der katholischen Kirche einbezog, hatte in der Wendezeit, als sich die Rat der Stadt unter SED-Oberbürgermeister Bille als weitgehend handlungsunfähig erwies, wichtige Verwaltungsaufgaben übernommen, um das öffentliche Leben in Potsdam in Gang zu halten. Dazu gehörten die Versorgung der Bevölkerung, die Wohnungspolitik, der Abbau der Grenzanlagen, die Wiedereingliederung von amnestierten politischen Gefangenen und nicht zuletzt die Sicherung der Gebäude und der Aktenbestände der Staatssicherheit. Das Bürgerkomitee löste sich mit der Konstituierung der ersten seit der Weimarer Republik frei gewählten Stadtverordnetenversammlung im Mai 1990 auf.
Erhart Hohenstein
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